WASHINGTON. US-Präsident Donald Trump hat sich rund einen Monat nach seiner Wahlniederlage gegen Joe Biden trotz etlicher erfolgloser Klagen gegen die Ergebnisse siegesgewiss gezeigt.
»Sie haben betrogen und unsere Präsidentenwahl manipuliert, aber wir werden trotzdem gewinnen«, sagte der Republikaner am Samstagabend (Ortszeit) in Valdosta im Bundesstaat Georgia mit Blick auf die Demokraten. Experten rechnen Trump keine reellen Chancen mehr aus, seine Niederlage gegen Biden juristisch noch abwenden zu können.
Vor Tausenden Anhängern brachte Trump indirekt seine mögliche Kandidatur in vier Jahren ins Spiel, sollte er seine Niederlage gegen Biden juristisch nicht verhindern können. Er werde das Weiße Haus jetzt »zurückgewinnen«, sagte er. »Und dann im Jahr 2024 - und hoffentlich muss ich dann nicht kandidieren - werden wir das Weiße Haus wieder zurückgewinnen.« Trump kann in vier Jahren nur für eine zweite Amtszeit kandidieren, wenn er diese Wahl verloren hat. Die Amtszeit des US-Präsidenten ist auf zwei Perioden mit je vier Jahren begrenzt, die nicht aufeinander folgen müssen.
Trump kündigte in seiner mehr als eineinhalbstündigen Ansprache in Georgia an, weiter juristisch gegen die Ergebnisse der Wahl in umkämpften Bundesstaaten vorzugehen - bis zum Supreme Court in Washington, dem Obersten Gericht der USA. Er behauptete erneut, bei der Wahl am 3. November seien Hunderttausende illegale Stimmen abgegeben worden. Trump hat dafür nie Beweise vorgelegt. US-Justizminister William Barr - ein Trump-Verbündeter - sagte kürzlich, es gebe keine Belege für massiven Wahlbetrug, der zu einem anderen Ergebnis führen würde.
Anwälte Trumps haben in sechs Bundesstaaten - Georgia, Michigan, Pennsylvania, Nevada, Arizona und Wisconsin - insgesamt Dutzende Klagen angestrengt, bislang ohne jeden Erfolg. Diese sechs Bundesstaaten haben ihre Ergebnisse inzwischen zertifiziert - demnach hat Biden dort gewonnen, in manchen Fällen knapp. Einige Klagen des Trump-Lagers sind noch offen. Auch in Georgia bemüht sich Trump darum, den Sieg Bidens zu kippen. Am Samstagabend behauptete Trump erneut und ohne jede Grundlage, er habe in Georgia gewonnen.
Unmittelbar vor seinem Auftritt hatte Trump den Druck auf den republikanischen Gouverneur Georgias, Brian Kemp, erhöht. US-Medien berichteten übereinstimmend, dass Trump seinen Parteikollegen am Samstag in einem Telefonat aufgefordert habe, eine Sondersitzung des Parlaments einzuberufen und die Abgeordneten dazu zu bewegen, das Wahlergebnis zu seinen Gunsten zu kippen.
Trump behauptete erneut, er würde eine Wahlniederlage hinnehmen, wenn sie aus einer fairen Wahl resultieren würde. »Wenn ich verlieren würde, wäre ich ein sehr gnädiger Verlierer«, sagte er. »Wenn ich verlieren würde, würde ich sagen, ich habe verloren und ich würde nach Florida gehen und es ruhig angehen lassen und ich würde herumgehen und sagen, dass ich einen guten Job gemacht habe. Aber man kann es niemals akzeptieren, wenn sie stehlen und manipulieren und rauben.« Die zuständigen US-Behörden stuften die Wahl am 3. November als die sicherste in der amerikanischen Geschichte ein.
Trump setzte sich bei seinem Auftritt in Valdosta für den Erhalt der Mehrheit seiner Republikaner im Senat ein. Er rief eindringlich zur die Wiederwahl der beiden republikanischen Senatoren David Perdue und Kelly Loeffler aus Georgia auf. Sie müssen sich am 5. Januar in Stichwahlen den Demokraten Jon Ossoff und Raphael Warnock stellen. Die Wahl ist von herausragender Bedeutung, weil sie über die Mehrheitsverhältnisse im mächtigen US-Senat entscheidet.
Bei den Wahlen am 3. November konnten sich die Republikaner bislang 50 der 100 Sitze in der Parlamentskammer sichern. Sollte es den Demokraten gelingen, die beiden Sitze in Georgia zu gewinnen, gäbe es im Senat ein Patt. Dann hätte die gewählte Vizepräsidentin Kamala Harris - die zugleich Präsidentin des Senats ist - bei Stimmengleichheit das letzte Wort. Damit hätten die Demokraten faktisch eine Mehrheit. Umfragen sahen in Georgia zuletzt die beiden demokratischen Herausforderer knapp vorne.
Die Republikaner in Georgia sehen sich vor der Stichwahl vor einem Dilemma: Trumps ständige Vorwürfe, wonach dem Wahlsystem ohnehin nicht zu trauen sei, dürften Republikaner von der Stimmabgabe abhalten. Trump versuchte am Samstagabend, seine Anhänger trotzdem zur Wahl zu mobilisieren. »Die Antwort auf den Betrug der Demokraten ist, nicht zu Hause zu bleiben«, sagte er. »Rache« an den Demokraten werde am besten geübt, indem Rekordzahlen an Republikanern wählten.
Um Zweifel an der Legitimität des Ergebnisses bei der Präsidentenwahl am 3. November zu säen, führte Trump am Samstagabend erneut an, dass er landesweit mehr als 74 Millionen Stimmen gewonnen hat - mehr als je ein Amtsinhaber vor ihm, der sich um eine Wiederwahl bemühte. Letzteres stimmt, allerdings hat Biden nach den bisherigen Ergebnissen mehr als 81 Millionen Stimmen gewonnen. Trump erwähnte als angebliches Indiz für Betrug erneut, dass er im Laufe der Wahlnacht seinen Vorsprung in wichtigen Bundesstaaten einbüßte. Dass sich Mehrheiten bei laufenden Stimmenauszählungen ändern, ist in einer Demokratie allerdings nicht ungewöhnlich.
Der US-Präsident wird nicht direkt gewählt, sondern durch die Wahlleute in den 50 US-Bundesstaaten und dem Hauptstadtbezirk Washington bestimmt. In der Regel bekommt der Wahlsieger in einem Bundesstaat die dortigen Wahlleute zugesprochen. Nach den bisherigen Ergebnissen aus den Bundesstaaten kommt Biden auf 306 Wahlleute, Trump auf 232. Wahlgewinner ist, wer mindestens 270 Wahlleute gewinnt. Biden soll am 20. Januar vereidigt werden.
Trump wurde bei seinem Auftritt in Georgia von First Lady Melania Trump begleitet. Sie stellte den Präsidenten dem Publikum vor. Die mehreren Tausend Anhänger bei der Kundgebung skandierten bei Trumps Auftritt unter anderem »Wir lieben Dich«. (dpa)