Washington (dpa) - Beim ersten persönlichen Treffen seit einem Dreivierteljahr will Kanzlerin Angela Merkel versuchen, US-Präsident Donald Trump von einem Handelskrieg gegen die EU abzubringen.
Weitreichende Angebote an Trump dürfte sie allerdings nicht im Gepäck haben - zuständig ist die EU-Kommission. Bei dem insgesamt zweieinhalbstündigen Treffen an diesem Freitag stehen außerdem der drohende Ausstieg der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran sowie die Lage in Syrien und der Streit um Ostseepipeline Nordstream 2 im Mittelpunkt.
Merkel will sich im Handelskonflikt dafür einsetzen, möglichst eine weitere Verlängerung der Ausnahmeregelung bei von Trump im März verhängten Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumexporte aus der EU zu erreichen. Die Gespräche mit Trump sind für Freitagabend deutscher Zeit geplant.
Deutsche Regierungskreise hatten am Donnerstag allerdings deutlich gemacht, dass sie eine Verlängerung für wenig wahrscheinlich halten. Die EU-Kommission gab sich optimistischer. Berlin schlug am Donnerstag vor, neue Verhandlungen über das gesamte Paket Industriezölle zu führen.
Nur wenige Tage vor Merkel war mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein weiterer hochrangiger Politiker aus Europa bei Trump zu Gast. Macron hielt sich drei Tage lang zu einem formellen Staatsbesuch in Washington auf. Merkel und Macron telefonierten zur Vorbereitung des Besuches der Kanzlerin vorab miteinander.
Bei Merkels erstem Treffen mit Trump im März 2017 hatte der US-Präsident teils abweisend gewirkt. In den Wochen danach telefonierten die beiden mehrfach, aber in den vergangenen Monaten hat sich das Verhältnis zwischen ihnen eher noch verschlechtert.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, Merkel werde in enger Abstimmung mit Macron klar für die gemeinsamen Interessen auftreten. »Die Partnerschaft mit den USA ist uns sehr wichtig, auch wenn es gerade Konflikte mit Präsident Trump gibt«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Peter Beyer, warnte vor zu hohen Erwartungen an den Besuch. »Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn der amerikanische Präsident zuhört und klar wird, dass die Europäer Seite an Seite stehen«, sagte der CDU-Politiker der dpa.
Trump wirft Deutschland neben unfairen Handelspraktiken auch vor, nicht genügend in die Verteidigung zu investieren. Merkel hatte betont, die USA seien unter Trump nicht mehr der einst verlässliche Partner für die Europäer.
Der US-Präsident verhängte im März Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Produkte aus der EU sind davon bislang ausgenommen. Die Befreiung läuft aber nur bis zum kommenden Dienstag (1. Mai). Um eine dauerhafte Lösung wird noch gerungen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rief Merkel dazu auf, den Handelsstreit zu entschärfen. »Denn bei einem Handelskonflikt gibt es keine Gewinner«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell dem Wirtschaftsnachrichtenportal Business Insider. »Fairer Handel hat nichts mit Protektionismus oder Dumpingexporten zu tun, in beiden Fällen leiden am Ende die Arbeitnehmer.«
Auch FDP-Chef Christian Lindner hofft, dass Merkel drohende US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU abwenden kann. Die America-first-Politik von Trump stelle den Wohlstand Deutschlands als Exportnation aufs Spiel, sagte Lindner der dpa. »Deshalb muss Merkel Trump davon überzeugen, dass ein neuer Deal mit Europa besser ist als ein Handelskrieg« - auch wenn sie erst spät in die USA reise.
Deutsche Regierungskreise versuchten vor Merkels Abreise, Trumps Vorwurf mangelnder Fairness in den Handelsbeziehungen zu entkräften. Sie räumten zwar ein, dass es nach wie vor einen deutschen Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro mit den USA gebe - ein häufiger Kritikpunkt Trumps. Das Handelsbilanzdefizit gehe aber zurück, seit 2015 beispielsweise von 2,1 auf 1,6 Prozent.
Zudem seien für die Bilanz Faktoren verantwortlich, die von der Bundesregierung nicht beeinflusst werden könnten, wie die Währungskurse, der Ölpreis oder die demografische Entwicklung, hieß es in den Kreisen weiter. Deutsche Firmen investierten in den USA 210 Milliarden Euro, während die USA in Deutschland nur 112 Milliarden investierten. Außerdem hätten deutsche Firmen 2015 in den USA 837 000 Arbeitskräfte beschäftigt.
Trump muss bis zum 12. Mai entscheiden, ob ausgesetzte Sanktionen gegen den Iran außer Kraft bleiben. Dies wird de facto auch als Entscheidung über den Verbleib der USA im internationalen Atomdeal mit dem Iran angesehen. Laut US-Verteidigungsminister James Mattis ist ein Entschluss darüber noch nicht gefallen.