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Trotz Drohung der Revolutionsgarden weiter Proteste im Iran

Im Iran gehen die Proteste in die siebte Woche. Während der Geheimdienst von einer Verschwörung spricht, drohen die Revolutionsgarden den Demonstranten. Trotzdem zieht es weiter Menschen auf die Straßen.

Proteste im Iran
Proteste in Teheran. Foto: Uncredited
Proteste in Teheran.
Foto: Uncredited

Im Iran sind die Proteste trotz einer massiven Drohung der Revolutionsgarden in vielen Städten in eine neue Runde gegangen. Dabei setzen die Sicherheitskräfte am Wochenende nach Berichten von Augenzeugen wieder Gewalt ein.

In Deutschland und anderen europäischen Ländern gingen wieder viele Menschen aus Solidarität mit den Demonstranten im Iran auf die Straße. Die Proteste gegen die autoritäre Führung des islamischen Landes dauern inzwischen schon mehr als sechs Wochen.

Am Samstag hatte der Kommandeur der einflussreichen Revolutionsgarden (IRGC), Hussein Salami, in einer Rede ein Ende der Demonstrationen verlangt. »Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren«, warnte der General nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. »Heute ist der letzte Tag der Unruhen. Kommt nicht mehr auf die Straßen.« Niemand werde den Demonstranten erlauben, weiter Unsicherheit zu stiften und die Universitäten des Landes in ein »Schlachtfeld« zu verwandeln.

Studierende setzen Protestaktionen fort

Trotzdem setzten Studierende in der Hauptstadt Teheran, der Pilgerstadt Maschhad im Nordosten sowie anderen Landesteilen ihre Protestaktionen fort. Sicherheitskräfte gingen auf einem Campus in Maschhad gewaltsam gegen Hunderte Studenten vor, wie Augenzeugen berichteten. In Teheran soll die Polizei Berichten zufolge Tränengas eingesetzt haben. Auch in vielen weiteren Städten gab es Proteste gegen den Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem.

Wegen des harten Vorgehens der iranischen Behörden gegen die Protestbewegung stellte Außenministerin Annalena Baerbock eine mögliche Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation in den Raum. In der vergangenen Woche habe sie deutlich gemacht, »dass wir ein weiteres Sanktionspaket auf den Weg bringen werden, dass wir prüfen werden, wie wir die Revolutionsgarden auch als Terrororganisation listen können«, sagte die Grünen-Politikerin in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin«.

Auslöser der Demonstrationen war Mitte September der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Die junge Frau starb dann in Polizeigewahrsam. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisation wurden seither im Iran mindestens 250 Menschen getötet und mehr als 10.000 verhaftet.

Bekannter Rapper im Iran nach Kritik festgenommen

Auch ein landesweit bekannter Rapper, Tumadsch Salehi, wurde nach Kritik an der politischen Führung in Teheran festgenommen. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Tasnim, die als Sprachrohr der einflussreichen Revolutionsgarden gilt, wird dem Musiker vorgeworfen, bei den anhaltenden Protesten Gewalt angezettelt zu haben. Offiziell hieß es, Salehi sei beim Versuch festgenommen worden, außer Landes zu fliehen.

Auf seinem Telegram-Kanal widersprach ein Onkel des Rappers dieser Version und äußerte Sorgen über dessen Verbleib. In den sozialen Medien empörten sich viele über die Festnahme. Bereits vor einem Jahr war Salehi festgenommen worden. Damals kam er auf Kaution frei.

Teheran verschärft den Ton

Zu Beginn der siebten Protestwoche verschärfte Teheran nochmals den Ton. Beobachter werteten die Rede des IRGC-Kommandeurs Salami als letzte Mahnung, die Proteste zu beenden. Befürchtet wird, dass demnächst auch das Militär und die Revolutionsgarden gegen Demonstranten eingesetzt werden. In Deutschland demonstrierten am Wochenende wieder Tausende in Städten wie Köln, Berlin und Düsseldorf.

Internet im Iran eingeschränkt

Das Internet ist im Iran unterdessen weiterhin eingeschränkt. Viele soziale Netzwerke sind gesperrt, um Absprachen zwischen Demonstranten zu erschweren. Die Führung in Teheran macht »Feinde« des Landes - allen voran die USA und Israel - für die Unruhen verantwortlich. Die Forderung der Bürger nach mehr Freiheit wurde bislang als ausländische Verschwörung bezeichnet - und ignoriert.

Doch auch kritische Stimmen im Land äußern Zweifel an dieser Darstellung. Die iranische Tageszeitung »Shargh« etwa wies Spionagevorwürfe gegen ihre inhaftierte Reporterin Nilufar Hamedi zurück. Bei der Berichterstattung nach dem Tod von Mahsa Amini sei die Journalistin lediglich ihrem Beruf nachgegangen, betonte Chefredakteur Mehdi Rahmanian.

Ein Geheimdienstbericht vom Freitag hatte Hamedi und ihre Kollegin Elaheh Mohammadi beschuldigt, von einer amerikanischen »Staatsmafia« und der CIA ausgebildet worden zu sein und mit diesen zusammengearbeitet zu haben. Ihre Reportagen seien vom Ausland genutzt worden, um die Unruhen zu entfachen. Hamedi hatte den Fall Aminis im Iran publik gemacht. Sie sitzt nun im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der Hauptstadt Teheran.

Irans Sicherheitskräfte sollen einem Gesetzesbeschluss zufolge mehr Lohn bekommen. Das Parlament stimmte am Sonntag in Teheran einer Erhöhung der Bezüge um 20 Prozent zu, wie Irna berichtete. Begründet wird dies damit, dass die Löhne der Sicherheitskräfte im Vergleich zu zivilen Angestellten des Staats besser gestellt werden sollten.

© dpa-infocom, dpa:221030-99-318666/4