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Trolle: Merkel telefonierte mit falschem Poroschenko

Die russischen Propagandisten Wowan und Lexus sind gefürchtet für ihre gefälschten Anrufe. Nun hat es auch Angela Merkel erwischt. Doch brisante Aussagen entlockten sie der Kanzlerin wohl nicht.

Angela Merkel
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel fiel auf ein inszeniertes Telefonat russischer Trolle herein. Foto: Fabian Sommer
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel fiel auf ein inszeniertes Telefonat russischer Trolle herein.
Foto: Fabian Sommer

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist nach Angaben zweier auf Desinformation spezialisierter russischer Fake-Anrufer auf ein inszeniertes Gespräch zum Krieg in der Ukraine reingefallen. Das Duo Wowan und Lexus veröffentlichte am Montag Ausschnitte aus einem Telefonat, in dem sich Merkel offenbar mit dem früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko wähnt. Eine Sprecherin der CDU-Politikerin bestätigt wenig später, dass es ein entsprechendes Gespräch gegeben habe. Laut Merkels Büro fand es bereits vor mehr als einem Monat am 12. Januar statt.

»Hallo, hallo? Ist dort Petro Poroschenko?«, ist Merkels Stimme am Anfang der veröffentlichten Aufzeichnung zu hören. Wowan und Lexus haben für die Präsentation ihres sogenannten Pranks auch vier kremltreue Journalisten eingeladen - darunter zwei bekannte deutschsprachige Russland-Propagandisten, die bereits in der Vergangenheit Falschinformationen auf ihren Blogs und Telegram-Kanälen verbreitet haben. In dem Video auf der russischen Internetplattform Rutube ist zu sehen, wie diese schadenfroh kichern, als die frühere Kanzlerin den Schwindel offenbar zumindest erstmal nicht bemerkt.

Schon bekannte Masche

Wowan und Lexus, die mit bürgerlichen Namen Wladimir Kusnezow und Alexej Stoljarow heißen, legen immer wieder Politiker und andere berühmte Persönlichkeiten herein, indem sie sich als Prominente ausgeben. Unter ihren Opfern waren schon Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und der britische Verteidigungsminister Ben Wallace. Manch einem Promi entlockten die beiden Männer, die sich laut eigener Aussage durch das zum russischen Staatskonzern Gazprom gehörende Rutube finanzieren, dabei durchaus schon brisante oder peinliche Aussagen. Ob Wowan und Lexus aber auch mit ihrem Merkel-Gespräch zufrieden sind, dürfte fraglich sein.

Denn die 68-Jährige antwortet souverän und professionell, verrät weder Sensationelles noch Neues. So spricht sie sich etwa für eine Geschlossenheit des Westens im Konflikt mit Russland aus. Eine Frage nach der Höhe ihrer Rente lässt Merkel unbeantwortet. Die Bitte des falschen Poroschenkos, ins Russische zu wechseln, »um Putin zu ärgern«, schlägt sie aus.

»Ansonsten ist mein Plädoyer, dass wir unseren Regierungen vertrauen. Nur sie machen die Politik«, sagte die CDU-Politikerin. Damit erinnerte sie den vermeintlichen Poroschenko auch daran, dass er die Wahl 2019 gegen den jetzigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verloren hatte. »Wenn man nicht gewählt ist, muss man sich in solchen schwierigen Zeiten möglichst zurückhalten.« Das tut sie selbst auch, indem sie immer wieder betont, den Regierungen - also auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) - diese Arbeit zu überlassen.

Schon länger miteinander bekannt

Merkel hatte während ihrer Amtszeit häufig zu tun mit dem heute 57 Jahre alten Poroschenko, der von 2014 bis 2019 Staatschef der Ukraine war. Gemeinsam mit ihm sowie mit Frankreichs damaligem Präsidenten François Hollande und Kremlchef Wladimir Putin unterschrieb sie 2015 die so genannten Minsker Vereinbarungen für eine Beilegung des Konflikts in der Ukraine.

Und genau um diese Vereinbarungen ging es Wowan und Lexus bei ihrem Fake-Anruf wohl maßgeblich. Denn in Moskau hatten vor einigen Wochen Äußerungen Merkels aus einem »Zeit online«-Interview Wellen geschlagen. Merkel hatte darin wörtlich gesagt: »Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.«

Selbst Putin höchstpersönlich interpretierte diese Worte damals so, dass der Minsker Friedensplan von europäischer Seite aus nur geschlossen worden sei, um der Ukraine Zeit zu geben, sich zu bewaffnen und auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten. Dem Kreml, der sich immer wieder als Opfer in dem von ihm selbst begonnenen Krieg inszeniert, kam diese Lesart gerade recht.

Sollten Wowan und Lexus nun darauf gehofft haben, Merkel diesbezüglich ein brisanteres, geeigneteres Zitat zu entlocken, so wurden sie enttäuscht. Denn mit Bick auf das Minsk-Abkommen sagt die frühere Kanzlerin wieder nur: »Das hat die Ukraine in die Lage versetzt, heute auch anders auf die Aggression Putins reagieren zu können, als das 2014 der Fall war.«

Möglicherweise ist so auch zu erklären, dass die Veröffentlichung der Troll-Aktion bei Russlands kremlnahen Medien und Kommentatoren, die Wowan und Lexus oft demonstrativ feiern, auch nur eine überschaubare Resonanz hervorruft. Am Ende des Telefonats wünscht Merkel ihrem Gesprächspartner »von Herzen alles Gute«.

© dpa-infocom, dpa:230220-99-665035/4