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Tote bei Protesten in den USA - Trump droht mit der Armee

Seit Tagen erschüttern gewalttätige Proteste die USA. Nun hat es Tote gegeben. Und der US-Präsident bringt das Eingreifen der Armee ins Spiel. Das wiederum stößt auf politischen Gegenwind.

Atlanta
Polizisten während eines Protests in Atlanta inmitten einer Tränengaswolke. Foto: Ben Gray/Atlanta Journal-Constitution/AP/dpa
Polizisten während eines Protests in Atlanta inmitten einer Tränengaswolke. Foto: Ben Gray/Atlanta Journal-Constitution/AP/dpa

CHICAGO. Zwei Menschen sind Medienberichten zufolge bei Protesten gegen Polizeigewalt in Cicero, einem Vorort von Chicago, ums Leben gekommen. Mindestens 60 Menschen wurden festgenommen, wie die Fernsehsender NBC und CBS unter Berufung auf örtliche Behörden-Angaben berichteten.

In der Stadt soll es am Montag (Ortszeit) zu mehreren Plünderungen gekommen sein, darunter auch in einem Spirituosengeschäft. Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt.

Laut NBC waren mehr als 100 Polizisten im Einsatz, zudem wurden Kräfte der Polizei des Bundesstaates Illinois und des Sheriffbüros von Cook County hinzugezogen.

In St. Louis im US-Bundesstaat Missouri wurden bei Protesten nach Polizei-Angaben vier Beamte von Schüssen getroffen. Sie wurden in Krankenhäuser gebracht, wie die Polizei auf Twitter mitteilte. Die Verletzungen seien ersten Angaben zufolge aber nicht lebensbedrohlich. Wer die Schüsse abgegeben hatte, war zunächst nicht bekannt.

Unterdessen will US-Präsident Donald Trump die Unruhen notfalls mit militärischer Gewalt stoppen. Begleitet von Protesten und chaotischen Szenen vor dem Weißen Haus kündigte Trump dafür am Montagabend (Ortszeit) die Mobilisierung aller verfügbaren zivilen und militärischen Kräfte seiner Regierung an.

Trump sagte bei seiner Ansprache im Rosengarten des Weißen Hauses: »Wir beenden die Unruhen und die Gesetzlosigkeit, die sich in unserem Land ausgebreitet haben.« Er fügte hinzu: »Wenn eine Stadt oder ein Bundesstaat sich weigern, Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um das Leben und den Besitz ihrer Bürger zu schützen, dann werde ich das Militär der Vereinigten Staaten einsetzen und das Problem schnell für sie lösen.«

Seit Tagen kommt es in Washington, New York und anderen US-Metropolen zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit. Auslöser der Proteste ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota. In vielen US-Metropolen sind die Demonstrationen in Ausschreitungen und Plünderungen ausgeartet. Mehr als 40 Städte haben nächtlich Ausgangssperren verhängt.

Während Trumps Auftritt im Rosengarten drängten Sicherheitskräfte Demonstranten vor dem Weißen Haus unter anderem mit Tränengas gewaltsam zurück, wie ein dpa-Reporter berichtete. Auch Militärpolizei wurde gegen Demonstranten eingesetzt. Geschäfte, Restaurants und Hotels in der Umgebung hatten ihre Schaufenster verbarrikadiert.

Nicht nur in Washington, auch in anderen Metropolen wie New York, Los Angeles, Atlanta, Philadelphia, Dallas, Oakland und Louisville dauerten die Proteste am Montagabend an. Trump hat demokratische Gouverneure und Bürgermeister mehrfach aufgefordert, härter gegen Randalierer durchzugreifen, und ihnen Schwäche vorgeworfen.

Am Montagabend forderte der Republikaner Gouverneure erneut dazu auf, ausreichend Kräfte der Nationalgarde einzusetzen, um die Straßen wieder unter Kontrolle zu bringen. Trump drohte Unruhestiftern mit harten Konsequenzen. Er warnte »die Organisatoren des Terrors«, ihnen drohten »lange Gefängnisstrafen«.

Demokratische Gouverneure wiesen Trumps Vorstoß empört zurück. Der Gouverneur des Bundesstaats New York, Andrew Cuomo, nannte es »beschämend«, dass Trump das Militär gegen US-Amerikaner einsetzen wolle. Der Gouverneur des Bundesstaats Illinois, J. B. Pritzker, sagte dem Sender CNN, der Präsident habe keine rechtliche Grundlage, um das US-Militär in Bundesstaaten zu entsenden. Seine Kollegin Gretchen Whitmer, Gouverneurin des Bundesstaats Michigan, sagte, Trump könne das Militär nicht ohne ihre Zustimmung einsetzen. Whitmer nannte Trumps Aussagen »gefährlich und erschütternd«.

Die Anführer der Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, kritisierten, der Republikaner Trump heize Zwietracht und Gewalt im Land weiter an. In einer gemeinsamen Erklärung Pelosis und Schumers hieß es: »In einer Zeit, in der unser Land nach Einigung ruft, zerreißt es dieser Präsident in Stücke.«

Trump sagte an die Adresse der Amerikaner: »Ich bin Ihr Präsident für Recht und Ordnung.« Er werde dafür kämpfen, das Land und seine Bürger zu beschützen. Trump will sich im November für eine zweite Amtszeit wiederwählen lassen und versucht, sich in der aktuellen Krise als Hardliner zu porträtieren. Am Montag sprach er mit Blick auf die Unruhen von »Terror«, für den er »professionelle Anarchisten, einen gewalttätigen Mob, Brandstifter, Plünderer, die Antifa und andere« verantwortlich machte. Bereits am Sonntag hatte Trump angekündigt, die Antifa verbieten zu lassen. Details ließ er offen.

Trump kündigte am Montag außerdem »entschlossene Maßnahmen« an, um die Hauptstadt Washington zu schützen. Was in der vergangenen Nacht dort passiert sei, sei »eine totale Schande«. Er entsende »Abertausende schwer bewaffnete Soldaten«, um neue Ausschreitungen in Washington zu stoppen. In der US-Hauptstadt trat um 19.00 Uhr (1.00 Uhr MESZ) eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft, über die sich Demonstranten zunächst hinwegsetzten. Am späteren Abend waren nur noch vereinzelte Demonstranten zu sehen.

In New York - der größten Stadt in den USA - wurde nach erneuten teils gewaltsamen Protesten eine nächtliche Ausgangssperre ab 23.00 Uhr verhängt. Im Stadtteil Brooklyn marschierten nach Angaben eines CNN-Reporters, der die Demonstranten begleitete, Tausende Menschen auch nach der Ausgangssperre. Im New Yorker Stadtteil Manhattan kam es erneut zu Plünderungen, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio erließ eine Ausgangssperre auch für die Nacht zum Mittwoch. Sie tritt um 20.00 Uhr (Ortszeit) in Kraft.

Anwälte der Familie von George Floyd legten am Montag einen Autopsiebericht vor, der vorläufigen Erkenntnissen der Behörden widerspricht und der die Polizei schwer belastet. Unabhängige Gerichtsmediziner seien zu der Erkenntnis gekommen, dass Floyd bei dem brutalen Polizeieinsatz am Montag vergangener Woche in Minneapolis erstickt sei, teilte Anwalt Ben Crump mit. Der von den Anwälten mit Floyds Autopsie betraute Mediziner Michael Baden sagte: »Die Autopsie hat gezeigt, dass es keine Vorerkrankung gab, die zu seinem Tod geführt oder dazu beigetragen hat.«

Der offizielle Gerichtsmediziner hatte zuvor auf Grundlage vorläufiger Erkenntnisse Vorerkrankungen für Floyds Tod mitverantwortlich gemacht. Er ging davon aus, dass der 46-Jährige nicht erstickte. Bei dem Polizeieinsatz hatte einer von vier beteiligten Beamten Floyd fast neun Minuten lang sein Knie in den Nacken gedrückt. Alle Bitten des Afroamerikaners, ihn atmen zu lassen, ignorierte er.

Die vier Polizisten wurden entlassen. Der weiße Ex-Polizist, der Floyd sein Knie in den Nacken drückte, wird wegen Mordes angeklagt und ist in Untersuchungshaft. In der Mitteilung der Anwälte hieß es, auch zwei weitere an dem Einsatz beteiligte Polizisten hätten zu Floyds Tod beigetragen, indem sie Druck auf dessen Rücken ausgeübt hätten. Der vierte Beteiligte sei ebenfalls haftbar, weil er nicht eingeschritten sei.

Anwalt Crump sagte: »George starb, weil er Luft zum Atmen brauchte.« Er rief dazu auf, die Proteste wegen Floyds Tod fortzusetzen, forderte aber Gewaltverzicht bei den Demonstrationen. Der offizielle Gerichtsmediziner veröffentlichte am Montag eine Mitteilung, in der als Floyds Todesursache Herzstillstand während des Polizeieinsatzes angegeben wird. Auch in dieser Mitteilung wurden allerdings Vorerkrankungen wie Bluthochdruck angeführt. (dpa)