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Tinubu gewinnt Präsidentschaftswahl in Nigeria

»Pate von Lagos«: Nach einer pannenreichen Wahl ist Bola Tinubu zum neuen Präsidenten von Nigeria erklärt worden. Der schwerreiche ist als Königsmacher bekannt und ist nun selbst an der Reihe.

Bola Ahmed Tinubu
Bola Ahmed Tinubu (M) feiert mit Anhängern in der Wahlkampfzentrale seiner Partei in Abuja. Foto: Ben Curtis
Bola Ahmed Tinubu (M) feiert mit Anhängern in der Wahlkampfzentrale seiner Partei in Abuja.
Foto: Ben Curtis

Aus einer von Pannen und Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl in Afrikas bevölkerungsreichstem Land und größter Volkswirtschaft Nigeria ist einer der mächtigsten Politiker des Landes als künftiger Präsident hervorgegangen. Bola Ahmed Tinubu von der Regierungspartei All Progressives Congress (APC) gewann mit 36 Prozent der Stimmen, wie die Wahlbehörde Inec in der Hauptstadt Abuja mitteilte.

Die Opposition wirft der Wahlbehörde seit Beginn der Auszählung Probleme bei der Übermittlung der Ergebnisse vor. Auch Wahlbeobachter der EU und der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas bemängelten schlechte Planung und mangelnde Transparenz.

Vor der Wahl hatten Beobachter vor Gewalt gewarnt, falls es zu Streit um die Anerkennung der Ergebnisse kommen könnte. In den vergangenen Jahren haben sich sowohl die Sicherheitslage als auch die wirtschaftliche Situation im Land verschlechtert. Im Norden sind Dschihadisten wie die Terrormiliz Boko Haram aktiv, landesweit kommt es zu Entführungen durch bewaffnete Banden. Separatisten kämpfen im Südosten, im Zentrum des Landes sterben Tausende in Konflikten um fruchtbares Land. Dem früher führenden Ölproduzenten des Kontinents fehlt es an Treibstoff, der Staat ist hoch verschuldet. Zu allem Überfluss sorgte eine Bargeldreform kurz vor der Wahl dafür, dass Geldscheine fehlen - Millionen konnten keine Lebensmittel kaufen.

Tinubu gilt als einer der reichsten Politiker

Dem 70-jährigen Tinubu wird während seiner Zeit als Gouverneur von Lagos von 1999 bis 2007 die Entwicklung der Mega-Metropole zu einem der wichtigsten Wirtschaftszentren des Kontinents zugeschrieben. Der »Pate von Lagos« gilt als einer der reichsten Politiker des ölreichen 220-Millionen-Einwohner-Landes und als derart einflussreich, dass er schon dem amtierenden Präsidenten Muhammadu Buhari 2015 zum Wahlsieg verhalf. »Ich bin jetzt dran«, sagte Tinubu im Wahlkampf - der Spruch wurde zum geflügelten Wort. Er wurde immer wieder mit Drogen und Korruption in Verbindung gebracht, allerdings nie verurteilt.

In einer Rede dankte Tinubu am Mittwoch der Wahlbehörde für eine freie und faire Wahl. »Die Pannen, die es doch gab, waren relativ wenige an der Zahl und hatten keinen Einfluss auf das Endergebnis«, sagte er. Er forderte seine Gegenkandidaten dazu auf, die Wahl vor Gericht, nicht aber auf der Straße anzufechten. Auf Platz zwei landete nach Angaben der Wahlbehörde der Bewerber der oppositionellen Demokratischen Volkspartei (PDP), Atiku Abubakar, mit 29 Prozent. Der bei der Jugend und Städtern beliebte Außenseiter von der kleinen Arbeiterpartei, Peter Obi, erhielt 25 Prozent. Obis Arbeiterpartei kündigte an, vor Gericht ziehen zu wollen.

»Viele Menschen werden das Ergebnis anzweifeln«

Zu der Abstimmung waren am Samstag 87 Millionen Wähler zugelassen - ein Rekord. Die offizielle Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 27 Prozent, niedriger als je zuvor. Analysten vermuteten als Gründe vor allem Geld- und Benzinmangel sowie Gewaltdrohungen. Viele Wahllokale öffneten erst mit deutlicher Verspätung, einige mussten die Abstimmung auf den Sonntag verschieben - teils wegen drohender Angriffe bewaffneter Gruppen, zumeist wegen vorgeblich logistischer Probleme.

Die Stimmen wurden unter Beobachtung vor Ort ausgezählt, die Ergebnisse in vielen Fällen aber nicht sofort über ein erstmals eingesetztes elektronisches System hochgeladen, sondern von den Wahlleitern persönlich im Umschlag nach Abuja gebracht. Dadurch vergingen teils mehr als 24 Stunden, in denen die Ergebnisse unbeobachtet waren und manipuliert werden konnten - dieser Vorwurf brachte die Oppositionsparteien schon am Montag dazu, von Wahlbetrug zu sprechen und den Rücktritt des Inec-Vorsitzenden zu fordern.

»Die Wahlbehörde hat hier wichtiges Vertrauen verspielt«, sagte die Nigeria-Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Marija Peran, der dpa. Sie rechne aber damit, dass die Wahl vor Gericht Bestand haben werde. »Viele Menschen werden das Ergebnis anzweifeln, es de facto aber hinnehmen müssen.« Tinubu soll sein Amt am 29. Mai antreten.

Wahlversprechen: Tinubu will Arbeitslosigkeit halbieren

»Ich verstehe eure Schmerzen, eure Sehnsucht nach guter Regierungsführung, einer funktionierenden Wirtschaft und einem sicheren Nation, die euch und eure Zukunft beschützt«, sagte Tinubu in seiner Rede an die Jugend des Landes gerichtet. Mehr als zwei von drei Nigerianerinnen und Nigerianern sind unter 30. Der Wahlkampf war aufgeladen - Herkunft, Religion und Ethnie der Kandidaten stand im Mittelpunkt wie nie zuvor. Mit dem bei urbanen, jungen und gebildeten Schichten beliebten Obi war erstmals ein Kandidat aussichtsreich, der nicht den vorherrschenden Parteien APC und PDP angehörte und eine Abkehr von den Eliten versprach. Inhaltlich unterschieden sich die Programme allerdings wenig.

Tinubu hatte vor der Wahl versprochen, in Infrastruktur zu investieren, Sicherheitskräfte besser zu bezahlen und die Arbeitslosigkeit im Land zu halbieren. Statistiker sagen eine Arbeitslosenquote von 37 Prozent in diesem Jahr voraus. Fast die Hälfte der Einwohner Nigerias lebt unter der Armutsgrenze.

© dpa-infocom, dpa:230301-99-782006/6