MÜNCHEN. Der Eichstätter Theologe Martin Kirschner wünscht sich nach dem abgelehnten Rücktrittsgesuch des Münchner Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx, mehr Klarheit von Papst Franziskus.
»Das Zeichen von Kardinal Marx war in der Beziehung eindeutig. Das des Papstes noch nicht«, sagte der Professor für Theologie in Transformationsprozessen an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt der Deutschen Presse-Agentur.
»Was zählt sind die Taten, nicht die Worte. Und da bin ich unsicher, ob sich der Papst selbst wirklich genug der Reichweite der Krise und der Perspektive des Betroffenen ausgesetzt hat, gerade, wenn es um Deutschland geht«, sagte Kirschner. »Der Aufruf zur inneren Umkehr darf kein Ersatz sein für personelle Konsequenzen, dort, wo sie nötig sind.«
Überraschende Reaktion vom Kirchenoberhaupt
Papst Franziskus hatte den Rücktritt von Kardinal Marx am Donnerstag abgelehnt - überraschend und sehr schnell, weniger als einer Woche nach der Bekanntgabe des Rücktrittsgesuchs. »Genau das ist meine Antwort, lieber Bruder. Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising«, schrieb das Oberhaupt der katholischen Kirche. Marx hatte am 4. Juni ein Schreiben veröffentlicht, in dem er von einem »toten Punkt« in der katholischen Kirche sprach und anbot, wegen des Missbrauchsskandals in der Kirche auf sein Amt zu verzichten.
»Ich stimme Dir zu, dass wir es mit einer Katastrophe zu tun haben: der traurigen Geschichte des sexuellen Missbrauchs und der Weise, wie die Kirche damit bis vor Kurzem umgegangen ist«, hieß es in Franziskus' Schreiben weiter. »Die gesamte Kirche ist in der Krise wegen des Missbrauchs; ja mehr noch, die Kirche kann jetzt keinen Schritt nach vorn tun, ohne diese Krise anzunehmen. Die Vogel-Strauß-Politik hilft nicht weiter.«
Theologe sieht Papst-Schreiben kritisch
»Der Papst spricht von Fehlern der Vergangenheit und früherer Zeiten, aber es geht ja auch um eigene Fehler, die auch die jüngere Vergangenheit und die Aufarbeitung in der Gegenwart betreffen«, sagte Theologe Kirschner. »Wenn nicht deutlich wird, dass auch die amtliche Kirche mehr gibt als schöne Worte, fürchte ich, dass das Momentum und die Freiheit verloren gehen, die Kardinal Marx mit einem Rücktrittsangebot ermöglicht hat«, betonte er. »Der Papst schreibt «jede Reform beginnt bei sich selbst» - aber wenn sie dort auch schon endet, ist es kleine wirkliche Reform, zumal wenn man ein öffentliches Amt bekleidet.«
Nach dem Papstbrief gab es viele positive Stimmen, die Opferinitiative »Eckiger Tisch« aber übte deutliche Kritik: »Marx zielte mit seiner Erklärung auf die Verantwortung aller Bischöfe, auch die des Bischofs von Rom, für das System aus Missbrauch und Vertuschung, das die Katholische Kirche weltweit prägt«, teilte der Verein mit. Franziskus moderiere diese erschütternde Einsicht jetzt einfach weg und entlaste damit auch sein eigenes Amt.
Marx' weitere Pläne unklar
Marx selbst hatte sich am Vortag sehr überrascht gezeigt über die Antwort aus dem Vatikan. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so schnell reagieren würde und auch seine Entscheidung, dass ich meinen Dienst als Erzbischof von München und Freising weiter fortführen soll, habe ich so nicht erwartet«, hieß es in einer Stellungnahme.
Diese Entscheidung bedeute für ihn, »zu überlegen, welche neuen Wege wir gehen können - auch angesichts einer Geschichte des vielfältigen Versagens -, um das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen«, sagte Marx. Der Papst greife in seinem Brief »vieles auf, was ich in meinem Brief an ihn benannt habe, und gibt uns wichtige Impulse«. Einfach zur Tagesordnung übergehen könne er nicht, betonte Marx.
Am Donnerstagabend - einige Stunden nach Veröffentlichung des Papstbriefes - feierte Marx in München im Ausbildungszentrum für Pastoralreferenten einen Gottesdienst. Anschließend sagte er zu dem Papstbrief, »alles was jetzt im Augenblick notwendig ist«, stehe in seiner Erklärung. »Und alles andere muss ich erstmal verarbeiten.« (dpa)