Drei Monate nach der Parlamentswahl in Thailand steht das Königreich vor der nächsten Runde zur Wahl eines Regierungschefs. Diese soll am 22. August stattfinden, wie der Sprecher des Abgeordnetenhauses am Mittwoch bekannt gab.
Die ursprünglich für den 4. August geplante Abstimmung zum Premier war verschoben worden, weil das Verfassungsgericht zunächst prüfen wollte, ob sich Wahlsieger Pita Limjaroenrat von der progressiven Move Forward Party (MFP) ein zweites Mal zur Wahl stellen darf. Dies war ihm vom Parlament verwehrt worden. Bei einem ersten Votum im Juli war der Hoffnungsträger der Demokratiebewegung gescheitert. Das Gericht lehnte eine Petition bezüglich einer nochmaligen Kandidatur Pitas am Mittwoch ab und ebnete damit den Weg zur erneuten Wahl des Premiers.
Pitas Bündnispartner Pheu Thai hatte sich zuvor von ihm losgesagt und war ein Bündnis mit konservativen Kräften eingegangen. Die Partei will nun mit dem Immobilienmagnaten Srettha Thavisin als Kandidat für das Amt des Premiers an die Macht. Die MFP unter Führung von Pita hatte bei der Parlamentswahl vor drei Monaten die meisten Stimmen gewonnen und mit der zweitplatzierten Pheu Thai ein Bündnis aus acht Parteien auf die Beine gestellt. Zusammen verfügte das Parteienbündnis über eine deutliche Mehrheit im Abgeordnetenhaus des nationalen Parlaments.
Streitpunkt Gesetz zur Majestätsbeleidigung
Der Hoffnungsträger der Demokratiebewegung erlitt bei der Wahl zum Ministerpräsidenten jedoch eine Niederlage, weil eine Mehrheit des vom Militär ernannten Senats - der zweiten Parlamentskammer - gegen ihn stimmte. Grund für das Scheitern Pitas und seiner Partei ist deren Ziel, das extrem strenge Gesetz zur Majestätsbeleidigung zu ändern.
Ein erneutes Antreten wurde Pita im Parlament verwehrt. Das Verfassungsgericht sollte nun über eine vom Büro des Ombudsmanns eingereichte Petition entscheiden, ob dies rechtmäßig war. Das Gericht wies dies mit der Begründung zurück, dass eine Person, die eine Petition einreicht, diejenige sein müsse, deren Rechte und Freiheiten verletzt wurden. Das sei beim Ombudsmann nicht der Fall.
Pita hatte aber schon vor dem Gerichtsurteil kaum noch Chancen auf das Amt des Regierungschefs, nachdem sich die Pheu Thai von ihm losgesagt hatte. Pitas MFP lehnt es ab, den ehemaligen Bündnispartner bei der Bildung der nächsten Regierung zu unterstützen. Das Vorgehen der Pheu Thai verzerre das Ergebnis der Parlamentswahl und widerspreche dem Willen des Volkes. Pheu Thai versuchte zuletzt, den Einfluss des Militärs bei der Bildung einer Regierung auszuschließen, ist aber andererseits auf Stimmen des vom Militär eingesetzten Senats angewiesen. Viele Senatoren fordern laut Medien, dass Srettha auch Parteien mit Beziehungen zum Militär an einer Koalition beteiligt.
Stolpern über zu viele Steine
Das Machtgerangel zeigt, mit welchen Hindernissen die Demokratie in Thailand immer wieder zu kämpfen hat. Einem Land, wo das Militär seit 1932 ein Dutzend Putsche inszeniert hat und in den vergangenen Jahren versuchte, eine von der Jugend angeführte Bewegung zu unterdrücken, die die Autorität der Militärs und Royalisten offener als je zuvor in Frage gestellt hat. Dem Harvard-Absolventen Pita wurden seit seinem Wahlsieg so viele Steine in den Weg gelegt, dass er am Ende nur noch stolpern konnte. »Es ist klar, dass es im gegenwärtigen System nicht ausreicht, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, um dieses Land zu regieren«, schrieb er im vergangenen Monat resigniert auf Instagram.
Seine Partei MFP ist bei gut ausgebildeten und in den sozialen Medien aktiven jungen Menschen beliebt, die sich gegen den Einfluss des Militärs auf die Politik nach dem Putsch von 2014 wehren. Die Partei warb mit weitreichenden Versprechen, das Militär aus der Politik zu verdrängen und das Lèse-majesté-Gesetz des Landes zu ändern, das die Beleidigung der Monarchie zu einem Verbrechen macht, das mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft wird. Es bleibt abzuwarten, wie sich die politische Lage weiter entwickelt. Die Pheu Thai hatte an der Seite Pitas bei den Wahlen noch eine antimilitärische Haltung eingenommen. Sollte sie nun mit Beteiligung pro-militärischer Kräfte die neue Regierung bilden, könnte es im Königreich zu neuen Protesten kommen.
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