In Israel eskaliert der Streit um die Einführung der Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden. Tausende streng religiöse Männer protestierten gestern in Jerusalem wutentbrannt gegen die gerichtlich verfügte Verpflichtung zum Wehrdienst in der israelischen Armee. Laut örtlichen Medienberichten kam es am Abend in der Stadt zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei. Mit berittenen Beamten und einem Wasserwerfer gingen die Einsatzkräfte demnach gegen aufgebrachte Demonstranten vor.
Nach Angaben der Polizei flogen aus den Reihen der schwarz gekleideten streng religiösen Männer Steine und Gegenstände auf die Beamten, Mülltonnen brannten. Mehrere Polizisten seien verletzt worden, berichtete die »Times of Israel« in der Nacht. Fünf Randalierer seien festgenommen worden. Auslöser der wütenden Proteste war ein kürzlich ergangenes Urteil des höchsten Gerichts des jüdischen Staates, wonach fortan auch ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst in der Armee verpflichtet werden müssen. Das Urteil erfolgte vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges und des Konflikts mit der Hisbollah-Miliz im Libanon.
»Wir werden sterben«
Die Demonstranten trugen laut der "Times of Israel" Schilder mit der Aufschrift "Wir werden nicht in die feindliche Armee eintreten" und »Wir werden sterben« statt in der Armee zu dienen. Die Ultraorthodoxen empfinden den Militärdienst als Bedrohung ihres frommen Lebensstils, auch weil Frauen und Männer gemeinsam dienen. Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Jahrzehntelang galten Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der Wehrpflicht. Diese liefen aber vor drei Monaten aus.
Das Urteil des höchsten Gerichts gilt als schwerer Rückschlag für die rechtsreligiöse Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Das Thema Wehrpflicht war zuletzt immer mehr zu einer Zerreißprobe für seine Koalition geworden. Beobachter sehen die Stabilität des Bündnisses durch den Streit gefährdet, weil sich die Regierung auch auf streng religiöse Partner stützt, die eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt ablehnen.
Einige Demonstranten griffen der »Times of Israel« zufolge das Auto des Vorsitzenden der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Tora-Judentum an, als dieser auf dem Weg nach Hause war. Medienberichten zufolge bewarfen die Demonstranten den Wagen mit Steinen und beschimpften den Parteivorsitzenden, als er vorbeifuhr. Der israelische Sender Kan veröffentlichte auf der Plattform X ein Video, in dem zu sehen ist, wie Ultraorthodoxe sein Auto umringen. Die Polizei griff laut Medienberichten ein und brachte ihn in Sicherheit.
Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr streng religiöse Männer zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 die Regierungskoalition zerbrochen. Netanjahus Regierung war es nun nicht gelungen, ein Gesetz zu verabschieden, das die Erleichterungen zementieren sollte. Daraufhin verfügte das höchste Gericht eine Streichung der staatlichen Subventionen für Ultraorthodoxe im wehrpflichtigen Alter, die in Religionsschulen studieren.
Armee warnt vor Soldatenmangel
Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara entschied Ende März zudem, dass das Militär verpflichtet sei, auch die bisher weitgehend vom Dienst befreiten Religionsstudenten einzuziehen. Laut Gericht handelt es sich um 63.000 Männer. Viele Israelis empfinden es als ungerecht, dass Ultraorthodoxe vom Dienst an der Waffe und gefährlichen Kampfeinsätzen ausgenommen sind. Es gibt allerdings auch ultraorthodoxe Männer, die freiwillig dienen. Die Armee warnte zuletzt angesichts des Gaza-Kriegs vor einem Mangel an Kampfsoldaten.
Soldaten bei Drohnenangriff verletzt
Bei einem Drohnenangriff auf die nördlichen Golanhöhen wurden nach Angaben der israelischen Armee 18 ihrer Soldaten verletzt. Einer von ihnen sei mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, teilte das Militär mit. Die Luftwaffe habe als Reaktion auf den Angriff Stellungen der proiranischen Hisbollah-Miliz im Südlibanon attackiert. Dabei sei auch eine Abschussrampe bombardiert worden, von der ein Projektil auf den Norden Israels abgefeuert worden sei. Zusätzlich habe die eigene Artillerie in mehreren Gebieten im Südlibanon »Bedrohungen beseitigt«. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben nicht.
Israel und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs vor rund neun Monaten Schusswechsel, deren Intensität zuletzt deutlich zunahm. Die Miliz erklärte wiederholt, Israel müsse den Krieg in Gaza gegen die mit ihr verbündete islamistische Hamas beenden, bevor sie mit dem Beschuss Israels aufhöre. Es gibt Sorgen, dass sich ein möglicher offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA und der Iran hineingezogen werden könnten.
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