Damaskus/Istanbul (dpa) - Im letzten syrischen Rebellengebiet Idlib droht nach dem Beschuss türkischer Truppen eine weitere militärische Eskalation.
Seit Freitagabend habe die Türkei mehr als 600 militärische Fahrzeuge über die gemeinsame Ländergrenze gebracht, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, Konvois mit Transportpanzern seien im Grenzbezirk Reyhanli angekommen und würden in die Provinz Idlib verlegt.
Die syrische Armee, die von Russland unterstützt wird, ist in Idlib auf dem Vormarsch; die Türkei wiederum steht aufseiten der Rebellen. Am Montag waren in Idlib unter syrischem Beschuss nach offiziellen Angaben sieben türkische Soldaten und ein ziviler Mitarbeiter des Militärs getötet worden. Die Türkei hatte daraufhin einen Vergeltungsangriff gestartet, bei dem mehrere syrische Soldaten starben. Damit wuchs die Furcht vor einer weiteren Konfrontation zwischen syrischen und türkischen Truppen. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht.
In Idlib sollen sich nach Recherchen des Südwestrundfunks (SWR) und des ARD-Studios Kairo auch mehr als 60 Islamisten aus Deutschland aufhalten. Aus Chatprotokollen geht demnach hervor, dass diese dort unter anderem mit der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) zusammenarbeiten, die Idlib kontrolliert. In Messenger-Diensten wird demnach für den Dschihad (Heiligen Krieg) und auch um Spenden aus Deutschland geworben.
Die Türkei hatte sich mit Syriens Schutzmacht Russland auf eine Deeskalationszone für Idlib geeinigt und dort zwölf Beobachtungsposten errichtet. Das türkische Verteidigungsministerium warnte, Ankara werde jegliche Attacke auf diese Beobachtungsposten »auf das Stärkste« erwidern. Die Posten seien »in der Lage, sich zu verteidigen«, twitterte das Ministerium am Samstag.
Die Türkei verhandelte auch mit Russland über die Lage in Idlib. Dazu trafen sich Vertreter beider Länder am Samstag in Ankara. Anadolu zufolge sei es unter anderem um die Frage gegangen, wie man einen politischen Prozess vorantreiben könne. Anadolu berichtete unter Berufung auf diplomatische Quellen, man habe sich auf eine Fortsetzung der Gespräche in den kommenden Wochen geeinigt.
Mit dem Vormarsch der syrischen Armee - sie nahm zuletzt den strategisch wichtigen Ort Sarakib ein - ergriffen Hunderttausende Menschen die Flucht. Viele machten sich auf in Richtung türkischer Grenze. Nach Angaben des UN-Nothilfebüros Ocha wurden seit Anfang Dezember rund 586 000 Menschen vertrieben. Im Nordwesten Syriens leben schätzungsweise vier Millionen Menschen. Papst Franziskus rief die Weltgemeinschaft und alle Beteiligten auf, alle diplomatischen Mittel zu nutzen, um das Leben der Zivilisten zu retten.