Ein relativ großer Anteil der Bevölkerung hat einer Umfrage zufolge negative Einstellungen gegenüber älteren Menschen. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, sagte in Berlin bei der Präsentation entsprechender Zahlen, es habe sie erschreckt, wie verbreitet die Ansicht sei, ältere Menschen sollten sich aus der Gesellschaft zurückziehen.
"Offenbar denkt ein signifikanter Teil der Gesellschaft, ich sag's mal etwas überspitzt: Ältere Menschen hätten zu viel Macht, seien eher rückschrittlich und vor allem einsam und hilfebedürftig". Solche Altersbilder könnten zum Treibstoff für Diskriminierung werden, sagte Ataman. "Wir müssen Altersdiskriminierung in Deutschland ernster nehmen als bisher."
»Damit abfinden«, alt zu sein
Für die Studie wurden im Januar dieses Jahres 2000 Personen ab 16 Jahren befragt. 41 Prozent sind demnach der Ansicht, alte Menschen sollten »sich damit abfinden, dass sie alt sind, anstatt zu versuchen, jung zu wirken«. Fast jeder Dritte stimmte Aussagen zu wie, Ältere sollten »Platz machen für die jüngere Generation, indem sie wichtige berufliche und gesellschaftliche Rollen aufgeben« und »keine Last für andere und die Gesellschaft werden«.
Allerdings gehört zum Bild dazu, dass die deutliche Mehrheit der Befragten diese Aussagen auch ablehnte. Zwei Drittel äußerten zudem die Ansicht, alte Menschen sollten »so lange wie möglich zum Wohl der Gesellschaft beitragen«.
Ambivalentes Bild
Insgesamt zeigt sich ein gemischtes Bild negativer und positiver Wahrnehmungen vom Alter: Die Mehrheit ist auf der einen Seite der Ansicht, dass die meisten alten Menschen durch gesundheitliche Probleme im Alltag stark eingeschränkt seien, sich nicht mehr auf Veränderungen einstellen könnten und daher Jüngeren unterlegen seien. Auf der anderen Seite sind fast alle auch der Ansicht, es sei möglich, im Alter geistig und körperlich fit zu bleiben. Alten Menschen wird auch mehrheitlich ein gelassener und besonnener Umgang mit wichtigen Fragen des Lebens zugesprochen.
Die Autorinnen der Studie, Eva-Marie Kessler und Lisa Marie Warner von der Medical School Berlin, sprachen sich unter anderem für eine stärkere Vermittlung von Faktenwissen über das Alter aus. Eine große Mehrheit der Befragten ging zum Beispiel davon aus, dass viel mehr Menschen ab 70 im Pflegeheim versorgt werden müssen als es tatsächlich sind. Medial verwendete Begriffe wie »Überalterung« oder »Pflegelast« könnten dem Eindruck einer zahlenmäßigen »Übermacht« älterer Menschen Vorschub leisten, heißt es in der Untersuchung.
»Bevormundender Beigeschmack« von Corona-Maßnahmen
Zudem könnten bestimmte Altersbilder auch altersdiskriminierendes Verhalten begünstigen. So seien ältere Menschen in der Corona-Pandemie oft einseitig als besonders schutz- und hilfebedürftig oder sogar pauschal als »Alte und Schwache« dargestellt worden. »Und manche Äußerung oder Maßnahme zum Infektionsschutz hatte - obwohl gut gemeint - einen bevormundenden Beigeschmack. Als besonders schwerwiegendes Beispiel sind hier die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen zu nennen.«
Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman schlug verschiedene Maßnahmen vor, um Altersdiskriminierung entgegenzuwirken, etwa die Aufnahme des Merkmals »Lebensalter« in das Antidiskriminierungsverbot in Artikel 3 des Grundgesetzes. Außerdem könnte ein Auskunftsanspruch geschaffen werden, der es Bewerbern ermöglicht, die Gründe für eine Ablehnung eines Arbeitgebers zu erfahren.
Ab wann ist man alt?
In der Studie ging es auch darum, ab wann Menschen eigentlich als alt gelten. Die Befragten konnten hier offen eine Alterszahl angeben. Am häufigsten wurde die Schwelle zum Alter bei 60 Jahren gezogen (27 Prozent), einige Teilnehmer gaben aber auch 50 an (14 Prozent), für andere beginnt das Alter erst bei 70 (18 Prozent).
Und welche Lebensphase ist nun die Schönste? Die Frage wurde so zwar nicht gestellt, doch die Studie gibt hier auch Aufschluss: Die Zustimmung und Ablehnung zu den beiden Aussagen »Das hohe Alter ist die schwerste Phase im Lebenslauf« und »Das Leben im hohen Alter hat weniger Lebensqualität als das in jüngeren Jahren« halten sich fast genau die Waage.
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