Gerhard Schröder (SPD) will die vom Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossene Streichung seiner Altkanzler-Privilegien nicht hinnehmen.
In einem Schreiben an den Gremiumsvorsitzenden Helge Braun (CDU) forderte Schröders Anwalt, diesem einen »prüffähigen- und damit rechtsmittelfähigen Bescheid« zuzustellen. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuvor hatten das Nachrichtenportal »The Pioneer«, die »Bild« und die »Süddeutsche Zeitung« darüber berichtet.
In dem Schreiben heißt es, der Altkanzler habe "über die Medien" erfahren, dass sein Büro "ruhend gestellt" werden solle und "die dem Büro zugeordneten Stellen "abgewickelt" werden sollen". Und weiter: "Dieser Entscheidung liege die Feststellung zugrunde, dass er keine "fortwirkenden Verpflichtungen aus dem Amt" mehr wahrnehme." Diese Feststellung werde aber nicht näher begründet. "Dies mag daran liegen, dass für den Entzug dieser "Privilegien" tatsächlich ein anderer Grund verantwortlich gewesen sei. Weiter heißt es: "Ein wie den Medien zu entnehmender Beschluss des Haushaltsausschusses ist evident rechts- und verfassungswidrig."
»Nicht mehr hinnehmbare öffentliche 'Hetzjagd'«
Der Anwalt machte in dem Schreiben zugleich deutlich, dass es ihm »trotz der mittlerweile nicht mehr hinnehmbaren öffentlichen «Hetzjagd»« auf seinen Mandanten nicht um eine gerichtliche Auseinandersetzung gehe. Vielmehr würde er »sich über die Chance freuen, im Wege des Gesprächs eine für alle Seiten annehmbare Regelung «auf Augenhöhe» erreichen zu können«. Der adressierte Haushaltsausschuss-Vorsitzende, Helge Braun, äußerte sich auf Anfrage dazu zunächst nicht.
Schröder, langjähriger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, stand wegen seiner Verbindungen nach Russland immer wieder unter Druck. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nahm dieser weiter zu. Es wurden mehrere Anträge zum Parteiausschluss gestellt.
Mehr als 400.000 Euro aus der Staatskasse geflossen
Mitte Mai hatte der Haushaltsausschuss für die Abwicklung des Altkanzler-Büros votiert. Für Personalausgaben in Schröders Büro waren im vergangenen Jahr mehr als 400.000 Euro aus der Staatskasse geflossen. Anrecht auf ein Ruhegehalt und auf Personenschutz hat der frühere Kanzler dem Ausschussbeschluss zufolge aber weiterhin.
In dem vom Haushaltsausschuss beschlossenen Antrag waren Schröders Verbindungen zu russischen Konzernen oder Putin nicht genannt worden. Hintergrund war die Befürchtung, dass dies rechtlich angreifbar wäre.
»Nicht vom deutschen Steuerzahler 'alimentieren' lassen«
Der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Günter Krings (CDU), wies die von Schröders Anwalt vorgebrachten rechtlichen Vorbehalte zurück und brachte weitere Maßnahmen gegen Schröder ins Spiel. Die Entscheidung des Haushaltsausschusses sei »konsequent und richtig«, sagte Krings dem Handelsblatt. »Es wird aber jetzt höchste Zeit, dass auch der Bundestag als Gesetzgeber tätig wird, damit zusätzlich auch die Ruhestandsbezüge des Altkanzlers gestrichen werden«, erklärte er. Wer sich vom System des russischen Präsidenten Putin aushalten lasse, könne sich nicht zugleich vom deutschen Steuerzahler »alimentieren« lassen.
Der Göttinger Staatsrechtler Hans Michael Heinig stufte das Vorgehen des Haushaltsausschusses, ebenfalls im Gespräch mit dem Handelsblatt, als rechtens ein. Er könne »keinen Ansatzpunkt dafür erkennen, dass auf eine nachwirkende Amtsausstattung ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht«, sagte Heinig. Die Büroausstattung sei entsprechend bisheriger Staatspraxis für »Repräsentationsaufgaben im Interesse der Bundesrepublik Deutschland« gewährt worden. Daher sollte es Konsequenzen haben, wenn der Altkanzler der weiteren Wahrnehmung solcher Aufgaben durch sein eigenes Verhalten »nachhaltig den Boden entzieht«.
Auch der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Kubicki, hält den Protest des Altkanzlers für rechtlich unbegründet. »Es ist völlig legitim, dass Gerhard Schröder alle juristischen Mittel prüft, wenn er der Auffassung ist, in seinen Rechten verletzt worden zu sein«, sagte Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Aus meiner Sicht ist die rechtliche Grundlage, auf die sich der Haushaltsausschuss bei der Entscheidung, dem Altkanzler die Büroräume zu versagen, beruft, ausreichend.«
Kubicki sprach sich im Gespräch mit Funke generell dagegen aus, ehemaligen Bundeskanzlern dauerhaft ein Büro zur Verfügung zu stellen. »Wir müssen grundsätzlich prüfen, ob die ehemaligen Amtsträger auf Lebenszeit eine gleichbleibend hohe Büro- und Personalausstattung benötigen, oder ob dies möglicherweise mit dem Lauf der Zeit auf null zurückgeführt werden kann«, sagte er.
© dpa-infocom, dpa:220616-99-681252/4