Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat für sein Eingeständnis von Fehlern in der Russland-Politik und in der Einschätzung von Kreml-Chef Wladimir Putin Zuspruch auch aus der Opposition erhalten.
Er wolle dem Bundespräsidenten dafür »großen Respekt zollen«, sagte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am Dienstag in Berlin. »Das ist alles andere als selbstverständlich, dass ein amtierendes Staatsoberhaupt so etwas sagt.«
Die Vorsitzende der Linke-Fraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali, betonte, viele Experten hätten den russischen Krieg gegen die Ukraine nicht vorausgesehen, auch die Linke nicht. Persönliche Konsequenzen würde sie deshalb von Steinmeier nicht fordern - »überhaupt nicht«, sagte Ali mit Blick auf Rücktrittsforderungen, die im Kurzdienst Twitter kursierten.
Steinmeier: »Haben einiges zu überdenken«
Steinmeier hatte am Montag auch mit Blick auf seine Zeit als Außenminister in den Jahren 2005 bis 2009 und 2013 bis 2017 erklärt, die Verantwortung für den Ukraine-Krieg liege bei Putin. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht einiges zu überdenken haben, wo es unsererseits Fehler gegeben hat." Steinmeier wurde konkret: "Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben." Steinmeier sagte auch: ""Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird."
Im ZDF-»Morgenmagazin« wiederholte er am Dienstag diese Einschätzung. »Das ist eine bittere Bilanz, vor der wir stehen«, sagte er. »Und zu dieser bitteren Bilanz gehört auch die Fehleinschätzung, dass wir und auch ich gedacht haben, dass auch ein Putin des Jahres 2022 am Ende nicht den totalen politischen, wirtschaftlichen, moralischen Ruin des Landes hinnehmen würde, für seine imperialen Träume oder seinen imperialen Wahn.«
Merz ließ offen, ob nun auch die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Deutschland 16 Jahre lang regiert hat, ähnliche Selbstkritik zeigen sollte. »Dass andere, die heute nicht mehr in der politischen Verantwortung stehen, sich zu Wort melden oder nicht zu Wort melden, das würde ich gerne denen überlassen. Das ist nicht meine Aufgabe, das hier zu beurteilen, zu bewerten oder gar zu fordern.«
Melnyk nennt Selbstkritik den »ersten Schritt«
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk nannte die selbstkritischen Äußerungen des Bundespräsidenten nur einen »ersten Schritt«. Im Deutschlandfunk sagte er: »Für uns ist wichtig, dass jetzt Taten folgen.« Diese fehlten bislang. Er würde sich wünschen, dass Steinmeier »jetzt nicht nur diese Reue zeigt, sondern dass er auch von der Bundesregierung als Staatschef verlangt, die Lehren zu ziehen aus dem Massaker von Butscha, aus anderen Gräueltaten, die wir Tag und Nacht jetzt in der Ukraine erleben«. Konkret bedeute das unter anderem schärfere Sanktionen und ein Energie-Embargo. Melnyk forderte auch weitere Waffenlieferungen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, es sei um die Sicherung des Friedens in Europa gegangen - durch Handel und das gegenseitige Schaffen von Wohlstand. Das habe Putin jetzt einseitig zerstört. »Aber zur damaligen Zeit waren diese Entscheidungen deswegen nicht grundfalsch«, betonte der CSU-Politiker. »Ich bleibe dabei, dass das das richtige politische Modell ist.«
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