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Sri Lankas neuer Präsident setzt auf Gewalt

Sri Lankas neuer Präsident setzt gleich nach seiner Amtseinführung auf eine härtere Gangart. Das Militär löst mit Gewalt das Hauptprotestlager auf. Bringt er die Regierungskritiker zum Schweigen?

Proteste in Sri Lanka
Ein buddhistischer Mönch filmt, wie Soldaten die Demonstranten vom Gelände eines Protestcamps in Colombo entfernen. Foto: Rafiq Maqbool
Ein buddhistischer Mönch filmt, wie Soldaten die Demonstranten vom Gelände eines Protestcamps in Colombo entfernen.
Foto: Rafiq Maqbool

Im Krisenland Sri Lanka hat ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften das wichtigste Protestlager von Regierungsgegnern beim Präsidentenbüro gestürmt und aufgelöst. Beim Einsatz von rund 1000 Polizisten und Soldaten wurden nach Polizeiangeben neun Menschen festgenommen und später auf Kaution wieder freigelassen. 14 verletzte Protestler seien nach der Razzia in das National Hospital eingeliefert worden, sagte ein Sprecher.

Als neuer Regierungschef wurde das langjährige Mitglied der Regierungspartei, Dinesh Gunawardena, gemeinsam mit 17 Ministern vereidigt. Der 73-jährige Gunawardena war zuvor vom neuen Präsidenten ernannt worden. Auch der neue Premier gilt als langjähriger loyaler Anhänger des geflüchteten Ex-Präsidenten.

Der Protest der Menschen richtet sich unter anderem gegen den neuen Präsidenten Ranil Wickremesinghe, der wenige Stunden zuvor vereidigt wurde. Sie sehen in ihm einen Vertreter der Machtelite um den nach beispiellosen Massenprotesten ins Ausland geflüchteten Ex-Präsidenten Gotabaya Rajapaksa. Sri Lanka steckt in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, für die Menschen ein Missmanagement der politischen Führung verantwortlich machen.

Neuer Präsident droht Protestlern

Als neuer Regierungschef wurde am Freitag das langjährige Mitglied der Regierungspartei, Dinesh Gunawardena, gemeinsam mit 17 Ministern vereidigt. Der 73-jährige Gunawardena war zuvor vom neuen Präsidenten ernannt worden. Auch der neue Premier gilt als langjähriger loyaler Anhänger des geflüchteten Ex-Präsidenten.

Der in weiten Kreisen unpopuläre neue Präsident Ranil Wickremesinghe hatte bei seiner Amtseinführung gesagt, jeder Versuch, die Regierung zu stürzen oder Regierungsgebäude zu besetzen, sei keine Demokratie, sondern gegen das Gesetz. Wenige Stunden später begann der Sturm auf das Hauptprotestlager. Die Polizei wollte nach eigenen Angaben mit dem Einsatz sicherstellen, dass der neue Präsident wieder in seinem Büro arbeiten kann. Protestler hatten in einem Lager neben dem Präsidentenbüro monatelang ausgeharrt. Sie hielten sich auch auf den Treppenstufen des Gebäudes auf.

Zum Zeitpunkt der Razzia waren nach Polizeiangaben rund 200 Protestler anwesend. Einsatzkräfte rissen Zelte nieder und errichteten Barrikaden um das Protestlager, damit niemand zurückkehren kann. Am Freitagvormittag (Ortszeit) demonstrierten nach Polizeiangaben rund 300 Menschen in der Hauptstadt.

Anwälte, die am Freitag zum ehemaligen Hauptprotestlager gehen wollten, seien von Einsatzkräften angegriffen worden, teilte die Anwaltskammer mit. Auch mindestens ein Anwalt und mehrere Journalisten seien festgenommen worden. Die Kammer rief Präsident Ranil Wickremesinghe auf, sicherzustellen, dass er und seine Regierung Rechtsstaatlichkeit und fundamentale Rechte der Menschen respektierten. Sie verurteilten den Angriff auf die Protestierenden. Auch die Menschenrechtskommission des Landes nannte den Angriff eine vollständige Verletzung elementarer Rechte von Menschen.

Es fehlt an Gas zum Kochen und an Medikamenten

Das gewaltsame Vorgehen gegen die Protestierenden könnte Verhandlungen des stark verschuldeten Landes mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beeinträchtigen. Sri Lanka hat angesichts der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten auch beim IWF um Hilfe gebeten. Saliya Pieries von der Anwaltskammer des Landes sagte am Freitag, dass die unnötige Anwendung von roher Gewalt dem internationalen Ruf Sri Lankas nicht zuträglich sei.

Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern galt einst als neues Singapur, als aufstrebendes Land mit einer wachsenden Mittelklasse. Inzwischen müssen die Menschen tagelang bei Tankstellen anstehen, um Benzin oder Diesel zu erhalten. Regelmäßig fällt der Strom aus. Gas zum Kochen und Medikamente fehlen, die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.

Die Gründe für die Krise sind vielfältig: Misswirtschaft und Korruption spielen eine Rolle, aber auch die Folgen der Corona-Pandemie, die vor allem den wichtigen Tourismus-Sektor hart getroffen haben. Wegen der Krise gingen in den vergangenen Wochen Zehntausende Menschen gegen die politische Führung auf die Straße. Viele von ihnen machen auch die Familie des geflohenen Ex-Präsidenten Rajapaksa verantwortlich, die zur Machtelite des Landes gehört.

© dpa-infocom, dpa:220722-99-115532/6