Die Bürger Schwerins haben den AfD-Kandidaten in der Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt deutlich abgelehnt. Wahlsieger Rico Badenschier von der SPD sah am Montag nach der Wahl stattdessen mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen ein starkes Ergebnis bei einem insgesamt starken Bewerberfeld.
Beobachter zeigen sich dennoch besorgt: »Das ist ein großer Achtungserfolg für die AfD«, sagte der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno der Deutschen Presse-Agentur. Dass AfD-Kandidat Leif-Erik Holm in einigen Teilen des Plattenbaugebiets Dreesch sogar gewonnen habe, bezeichnete er als »sehr bedenklich«.
Empfehlung für den SPD-Mann
Bei der Stichwahl in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern am Sonntag entfielen 67,8 Prozent der Stimmen auf Badenschier. Holm kam laut Wahlbehörde auf 32,2 Prozent. Nach dem ersten Wahlgang am 4. Juni hatten bis auf den Kreisverband der FDP alle unterlegenen Parteien eine Empfehlung für den SPD-Mann abgegeben.
Badenschier ärgerte sich am Montag trotz Sieg über die Berichterstattung der Medien in den letzten Wochen. Diese seien der rechtspopulistischen AfD »auf den Leim gegangen« und hätten deren Kandidaten größer gemacht, als er sei.
Schon der Einzug in die Stichwahl war für die rechtspopulistische AfD ein bundesweites Novum: Es war das erste Mal, dass es einer ihrer Kandidaten in die Stichwahl um das Rathaus einer deutschen Landeshauptstadt geschafft hatte. Badenschier macht dafür insbesondere die persönliche Popularität des AfD-Landesvorsitzenden und früheren Radiomoderators verantwortlich. Aus diesem Grund habe die Partei ihr Wählerpotenzial in Schwerin ausschöpfen können. Muno hatte Holm im Vorfeld als geschickten Kommunikator und Demagogen bezeichnet.
Entsprechend positiv fiel das Fazit des AfD-Mannes aus: »Wenn man in der roten Verwaltungsstadt Schwerin ein Drittel der Stimmen holt, kann man dahinter ein dickes Ausrufezeichen setzen«, sagte Holm am Montag. Er freue sich vor allem über zusätzliche Stimmen ehemaliger CDU- und FDP-Wähler in der Stichwahl.
Muno: Gegenseitige Unterstützung kein dauerhaftes Rezept
Politikwissenschaftler Muno sieht vor allem in der gegenseitigen Unterstützung der anderen Parteien den Grund für den Wahlerfolg Badenschiers. Es könne aber nicht auf Dauer das Rezept der anderen Parteien sein, auf Stichwahlen und die gegenseitige Unterstützung zu bauen. Von einem AfD-Oberbürgermeister in einer Landeshauptstadt sei man zwar noch weit weg, sagte Muno. Er verwies aber auf die Chancen der AfD bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg am kommenden Sonntag. »Das wird schon sehr, sehr eng.«
Im südthüringischen Kreis Sonneberg hatte der Landrats-Kandidat der AfD im ersten Wahlgang bereits fast die Hälfte der Stimmen erhalten und wäre beinahe zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt worden: Robert Sesselmann erreichte 46,7 Prozent. Mit Blick auf die Stichwahl am 25. Juni sprachen sich daher die Grünen, die Linke, SPD und FDP für den CDU-Mann Jürgen Köpper aus, der 35,7 Prozent erreicht hatte.
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