Die SPD macht sich für eine starke Führungsrolle Deutschlands in der Welt, gerechtere Besteuerung und eine Beschleunigung der Digitalisierung und der Energiewende stark. Auf einem Debattenkonvent in Berlin beschlossen die Delegierten am Sonntag einstimmig einen Leitantrag mit dem Titel »Ein Jahrzehnt des Aufbruchs. Ein Jahrzehnt der sozialen Demokratie«, mit dem sich die Partei auf die gesellschaftlichen Umbrüche einstellen will. »Unsere sozialdemokratische Vorstellung einer guten Gesellschaft ist eine Gesellschaft des Respekts«, heißt es darin.
In einer zusätzlichen Resolution verurteilte die Partei das Vorgehen der iranischen Regierung gegen die Protestbewegung in der Islamischen Republik aufs Schärfste und forderte weitere Sanktionen: »Hunderte von Toten, politische Morde, unzählige Verletzte und Zehntausende Gefangene, denen drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe drohen, sind erneuter Ausdruck der menschenverachtenden Ideologie und Gewalt des iranischen Regimes.«
Viel Kritik gab es in der Debatte am Koalitionspartner FDP. Deren Widerstand gegen eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse wurde von mehreren Rednern kritisiert, unter anderem als »ökonomischer Wahnsinn« und »Fessel für sozialdemokratische Politik«.
Scholz fordert von Russland klares Nein zu Atomschlag
Der SPD-Debattenkonvent ist die wichtigste Veranstaltung der Bundespartei in diesem Jahr, der nächste Parteitag ist erst wieder für Dezember 2023 geplant. Bereits am Samstag war Bundeskanzler Olaf Scholz kurz nach seiner China-Reise bei dem Konvent aufgetreten und hatte Russland aufgefordert, den Einsatz von Atomwaffen im Angriffskrieg gegen die Ukraine eindeutig auszuschließen.
»Es ist nicht erlaubt, es ist unvertretbar, in diesem Konflikt Nuklearwaffen einzusetzen«, sagte der Kanzler. »Wir fordern Russland auf, dass es klar erklärt, dass es das nicht tun wird. Das wäre eine Grenze, die nicht überschritten werden darf.« Am Freitag hatte Scholz bei seinem Peking-Besuch gemeinsam mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor einer nuklearen Eskalation gewarnt. Scholz wertete dies als größten Erfolg seines nur knapp zwölfstündigen Aufenthalts in Peking, für den er vorher auch aus der Ampel-Koalition heftig kritisiert worden war. »Alleine dafür hat sich die ganze Reise gelohnt.«
Verteilungsfrage »so dringlich wie lange nicht mehr«
In dem Leitantrag spricht sich die Partei für eine gerechtere Besteuerung von Einkommen, Vermögen, Erbschaften sowie Gewinnen und Kapitalerträgen aus. »Die Verteilungsfrage stellt sich in dieser Zeit so dringlich wie lange nicht mehr«, heißt es darin. Instrumente wie eine einmalige Vermögensabgabe, einen sogenannten Transformationssoli oder vergleichbare Instrumente halte man für geeignet, um notwendige politische Maßnahmen finanzieren zu können.
Militärische Fähigkeiten werden in dem Antrag als ein Mittel der Friedenspolitik anerkannt. »Russlands Angriff auf die Ukraine hat uns mit Deutlichkeit vor Augen geführt, dass zu den Grundlagen einer kraftvollen Friedenspolitik auch militärische Fähigkeiten sowie strategische Allianzen gehören«. Bereits am ersten Tag des Konvents hatte SPD-Chef Lars Klingbeil erneut dafür geworben, dass Deutschland den Anspruch einer »Führungsmacht« verfolgen sollte.
Weitere Kernpunkte aus dem Antrag:
- Klimawandel: Die SPD will darauf achten, dass die derzeitige Energiekrise nicht dazu führt, dass die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien gebremst wird. »Kurzfristig verstärkte Nutzung fossiler Energien im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine dürfen nicht zu langfristigen Lock-in-Effekten fossiler Energieträger führen.«
- Digitalisierung: Schulen und die öffentliche Verwaltung müssten stärker digitalisiert werden. Zudem müsse der Datenschutz verstärkt werden: »Der Schutz des Grundrechts auf Privatsphäre und der Vertraulichkeit der Kommunikation muss im Mittelpunkt stehen, sodass es nicht zu einer Kommerzialisierung personenbezogener Daten kommt.«
- Demografischer Wandel: Wegen des demografischen Wandels will sich die SPD um Fachkräfte bemühen. Unter anderem sollen dazu die Arbeits- Ausbildungsbedingungen verbessert und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen erleichtert werden.
Klingbeil wirft Union unter Merz und Söder Lüge vor
SPD-Chef Lars Klingbeil machte in seiner Rede der Union schwere Vorwürfe. Sie sei eine politische Kraft, die »unter Markus Söder und Friedrich Merz lügt mit dem Ziel die Gesellschaft zu spalten«, sagte er. CDU und CSU verbreiteten in der Diskussion über das Bürgergeld falsche Zahlen und spielten Geringverdiener gegen die Menschen aus, die auf den Staat angewiesen seien. »Wer sich so verhält, wer den Weg von Donald Trump der Verbreitung von Fake News einschlägt, wer der Meinung ist, man müsse das Land spalten, hat nichts mehr in der politischen Mitte dieses Landes verloren.« Die Bundesregierung will das Bürgergeld ab Januar einführen und damit Hartz IV ablösen.
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