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SPD-Chef sieht große Bewährungsprobe für Koalition

Das Spitzentreffen der Ampel-Koalitionäre hat keinen Durchbruch gebracht. Noch immer ringt die Regierung um den Haushalt.

SPD-Bundesvorsitzender
»Ich glaube, Markus Söder will vor allem auch in den Schlagzeilen sein, weil er sich ein bisschen langweilt dort in Bayern und Friedrich Merz die große Bühne nicht alleine gönnt«, sagt Lars Klingbeil. Foto: Michael Kappeler/DPA
»Ich glaube, Markus Söder will vor allem auch in den Schlagzeilen sein, weil er sich ein bisschen langweilt dort in Bayern und Friedrich Merz die große Bühne nicht alleine gönnt«, sagt Lars Klingbeil.
Foto: Michael Kappeler/DPA

SPD-Chef Lars Klingbeil sieht die Ampel-Koalition wegen der Haushaltskrise vor ihrer bisher größten innenpolitischen Bewährungsprobe. Wenn man die internationale Situation abziehe, sei das »der größte Test auch, den die Ampel jetzt zu bestehen hatte«, sagte Klingbeil in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. »Ich würde auch nicht drum herumreden wollen, das wird jetzt ruckelig die nächsten Wochen«, sagte er voraus. »Aber ich bin am Ende optimistisch, dass wir den Haushalt auch hinbekommen. Wir haben einige Krisen schon lösen können, und das ist jetzt die nächste große Bewährungsprobe, die vor uns liegt.«

Die oppositionelle Union sprach der Regierung von Kanzler Olaf Scholz nach dem Spitzentreffen vom Mittwochabend die Handlungsfähigkeit ab. Allgemein fehle es an Führung, kritisierte CDU-Chef Friedrich Merz im »Frühstart« von RTL und ntv. Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, dass die Regierung ihrer Arbeit nachgehe »und das tut sie im Augenblick nicht, weil sie sich permanent streitet und weil sie sich in den wesentlichen Fragen der deutschen Politik nicht einig ist«, sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende. Die Koalition habe es nicht einmal geschafft, einen Zeitplan für die Verabschiedung des Etats für das Jahr 2024 festzulegen.

Keine Fortschritte im Ringen um nächsten Haushalt sichtbar

Tatsächlich sucht die Ampel-Koalition weiter nach Wegen aus der Haushaltskrise. Noch immer ist offen und umstritten, wofür der Bund im kommenden Jahr Geld ausgeben kann. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umschichtung von Corona-Krediten in einen Fonds für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft für nichtig erklärt. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen. Das reißt eine Milliardenlücke in die Planung für das kommende Jahr - und in die Finanzierung langfristiger Vorhaben der nächsten Jahre.

Für das kommende Jahr fehlen laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) aktuell 17 Milliarden Euro. Dieses Loch entsteht nicht direkt durch die Streichung der 60 Milliarden im Klima- und Transformationsfonds, sondern weil auch andere Fonds von dem Urteil betroffen sind. Deswegen soll etwa auch für das Jahr 2023 eine Notlage erklärt und die Schuldenbremse ausgesetzt werden.

Baerbock hält an ambitioniertem Zeitplan fest

Außenministerin Annalena Baerbock erwartet, dass die Koalition den Haushalt für das kommende Jahr noch vor Silvester unter Dach und Fach bringt. In einer »Zeit, wo die Krisen übereinander einbrechen« müssten alle »deutlich machen: Demokratien sind stark, auch in maximalen Krisenzeiten«, sagte die Grünen-Politikerin am Rande einer Konferenz in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje. »Deswegen werden wir alles dafür tun und werden wir es auch schaffen, dass wir nicht nur für dieses Jahr 2023, sondern auch für nächstes Jahr einen Haushalt auf den Weg bringen.«

Der Zeitplan ist ambitioniert, denn es gibt regulär nur noch eine Sitzungswoche des Bundestags vor Weihnachten. Davor müsste auch der Haushaltsausschuss seine Beratungen noch abschließen können. Die Beratung im Bundesrat wäre nur mit Fristverkürzung möglich.

SPD für erneute Ausnahme von Schuldenbremse 2024

Ein größeres Problem als der Zeitplan sind aber die politisch-inhaltlichen Einigungen. Debattiert werden unterschiedliche Sparmaßnahmen. Die FDP im Bundestag zum Beispiel forderte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Überprüfung des Bürgergelds auf. FDP-Sozialpolitiker Pascal Kober will, dass die für Anfang 2024 geplante Steigerung der Grundsicherung auf den Prüfstand kommt.

Klingbeil betonte im Interview der Deutschen Presse-Agentur, er sei bereit, pragmatisch und unideologisch über Sparpotenzial zu reden. Für ihn sei aber wichtig, die Investitionen in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands zu erhalten. Er warnte außerdem davor, ausgerechnet bei den Ärmsten Abstriche zu machen. »Wir müssen den Sozialstaat weiter stark halten, weil er den Menschen gerade in Zeiten der Unsicherheit auch Sicherheit gibt«, sagte er. »Und deswegen darf da nicht die Axt angelegt werden.«

Der SPD-Chef sprach sich dafür aus, für 2024 erneut die Schuldenbremse auszusetzen. Die dafür erforderliche Notlage könne mit dem anhaltenden Ukraine-Krieg und den Milliardenhilfe zur Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes erklärt werden. Im Raum steht, ob man die Aussetzung der Schuldenbremse auf Ausgaben im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg beschränken - und so Spielräume für andere Ausgaben im Kernhaushalt schaffen kann.

Für die Union kommt ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse aktuell nicht infrage. Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten« (Donnerstag), dafür gebe es »bisher keinen vernünftigen Grund«. Ähnlich hatte sich zuvor Lindner geäußert: Er sei »noch nicht davon überzeugt«, dass die Voraussetzungen für einen Notlagenbeschluss 2024 vorlägen.

Neue Unsicherheit durch Klima-Urteil?

Auch wie sich das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zum Klimaschutz auf den Etat auswirken könnte, ist noch nicht geklärt. Das Gericht verurteilte die Bundesregierung, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Denkbar wären etwa ein Tempolimit, die Streichung von Steuervorteilen für Diesel oder Dienstwagen und eine neue Sanierungswelle für Gebäude - vieles davon Streitthemen in der Ampel. Die Regierung kann aber in Revision gehen und die Wirkung damit aufschieben. Am Donnerstag kündigte sie zunächst an, die Begründung des Gerichts genau prüfen zu wollen.

© dpa-infocom, dpa:231130-99-126281/5