Logo
Aktuell Ausland

Spanien: Regierungskrise wegen Sexualstrafrecht eskaliert

Die spanische Regierungs-Koalition ist wegen eines neuen Sexualstrafrechts zerstritten. Die Sozialisten unter Ministerpräsident Sánchez wollen die Reform des Regelwerks mithilfe der Opposition angehen.

Irene Montero
»Wir wollen keine Rückkehr zu einem patriarchalischen System, in dem man als Opfer gefragt wurde, ob man die Beine richtig geschlossen hatte«: Gleichstellungsministerin Irene Montero von Unidas Podemos. Foto: Marta Fernández Jara
»Wir wollen keine Rückkehr zu einem patriarchalischen System, in dem man als Opfer gefragt wurde, ob man die Beine richtig geschlossen hatte«: Gleichstellungsministerin Irene Montero von Unidas Podemos.
Foto: Marta Fernández Jara

Der Streit um das neue Sexualstrafrecht hat in Spanien endgültig einen Keil zwischen die Parteien der linken Regierungs-Koalition getrieben. Die Sozialistische Partei (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sánchez wird die neue Reform des erst vor fünf Monaten in Kraft getretenen umstrittenen »Nur Ja heißt Ja«-Gesetzes ohne Unterstützung des Juniorpartners Unidas Podemos (UP) einleiten.

Bei der Abstimmung im Madrider Unterhaus über den Beginn des Reformprozesses wird die PSOE am Dienstag von der konservativen und der rechtspopulistischen Opposition unterstützt werden, wie Medien unter Berufung auf die Regierung am Wochenende berichteten.

Das neue Gesetz hat ebenso unerwartete wie unerwünschte Auswirkungen gehabt, darunter die vorzeitige Haftentlassung von Sexualverbrechern. »Das Problem ist so ernst, dass jede der 350 Stimmen willkommen ist«, sagte die Präsidentin des Gleichstellungsausschusses des Unterhauses, die PSOE-Politikerin und frühere Vizeministerpräsidentin Carmen Calvo im Interview des staatlichen Fernsehsenders RTVE.

Unidas Podemos fürchtet Verwässerung des Sexualstrafrechts

Die UP befürchtet unterdessen, dass die PSOE bei den in den nächsten Monaten anstehenden Debatten über die neue Reform des Gesetzes den Forderungen der konservativen Opposition nachgeben und eine Rückkehr zu alten Verhältnissen akzeptieren könnte: »Wir wollen keine Rückkehr zu einem patriarchalischen System, in dem man als Opfer gefragt wurde, ob man die Beine richtig geschlossen hatte«, sagte zum Beispiel die Gleichstellungsministerin Irene Montero von UP.

Montero gilt als »Mutter« des neuen Regelwerks - das nicht nur höhere Höchststrafen, sondern teils auch niedrigere Mindeststrafen vorsah. Das führte dazu, dass Richter seitdem bereits die Haftstrafen von mehr als 700 einsitzenden Straftätern reduzierten. Mehr als 70 Sexualverbrecher kamen bereits früher als erwartet frei - darunter ein 39-Jähriger im katalanischen Lleida, der 17 Frauen vergewaltigt hatte und dessen Strafe von 15 auf 9 Jahre gesenkt wurde.

»Das Gesetz hat bei seiner Anwendung einige unerwünschte Auswirkungen gehabt. Unerwünschte Auswirkungen ist dabei eine Untertreibung«, sagte Sánchez. Verschiedene PSOE-Politiker wiesen derweil die Befürchtungen von UP zurück und beteuerten, man werde vom Prinzip der Zustimmung aller Beteiligten bei sexuellen Handlungen nicht abrücken.

Das neue Gesetz hatte unter anderem auch »einschüchternde« Komplimente sowie die Verbreitung von Sexvideos unter Strafe gestellt. Mit ihrem Vorstoß hatte die Regierung im vorigen Jahr auf mehrere Fälle von Gruppenvergewaltigungen reagiert, bei denen die Täter mit relativ milden Strafen davongekommen waren. Montero hatte gesagt, der »Vergewaltigungskultur« werde damit ein Ende bereitet.

© dpa-infocom, dpa:230305-99-840267/2