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Sorgen um Benedikt? Auf Petersplatz eher »Business as usual«

Als Johannes Paul II. am Ende seines Lebens war, saßen Gläubige zu Hunderten betend auf dem Petersplatz. Nach der Nachricht um Benedikts Gesundheitszustand herrscht dagegen weiter munteres Treiben.

Vatikanstadt
Touristen, Gläubige und Journalisten stehen vor dem Petersdom in der Vatikanstadt. Foto: Oliver Weiken
Touristen, Gläubige und Journalisten stehen vor dem Petersdom in der Vatikanstadt.
Foto: Oliver Weiken

Auf dem Petersplatz wuselt es wie immer. Touristen stehen in einer langen Schlange vor den Eingangskontrollen des Petersdoms, viele machen Fotos und Selfies. Kinder und Erwachsene bestaunen den riesigen Christbaum und die große Holzkrippe davor. Souvenirhändler preisen auf ihren mobilen Ständen kleine Vatikan-Andenken an.

24 Stunden nach Bekanntwerden der Nachricht, dass der emeritierte Papst Benedikt XVI. sehr krank sein soll, wirkt auf dem Petersplatz nichts wie Ausnahmezustand. Außerhalb der Absperrung zum Platz sind vereinzelt Kameras aufgebaut; deutsche TV-Teams filmen das Treiben vor dem Dom und halten Ausschau nach Besuchern aus der Heimat. Auch der öffentlich-rechtliche Sender Rai hat Kamerapodien und Übertragungswagen aufgebaut - allerdings nicht wegen Benedikt, sondern wegen der bevorstehenden Messe von Franziskus an Neujahr.

Zustand weiterhin ernst, aber stabil

Von hinter den mächtigen Vatikan-Mauern aus dem ehemaligen Kloster Mater Ecclesiae kamen positive Neuigkeiten. »Der emeritierte Papst konnte sich letzte Nacht gut erholen, er ist absolut klar und wach, und heute ist sein Zustand zwar weiterhin ernst, aber stabil«, teilte Matteo Bruni, der Sprecher des Heiligen Stuhls, mit. Franziskus bitte aber weiter um Gebete für Benedikt, der von seinem langjährigen Begleiter und Privatsekretär Georg Gänswein, vier Frauen eines religiösen Laienverbands und Ärzten betreut wird.

»Er ist sehr krank« - mit diesem Kommentar über seinen Vorgänger hatte Papst Franziskus am Mittwoch die katholische Kirche und manche Gläubige aufgeschreckt. »Wir haben es aus den Medien gehört; das hat uns sehr betroffen gemacht«, erzählt ein deutscher Besucher aus dem Saarland. Er komme schon seit vielen Jahren regelmäßig nach Rom und habe Benedikt auch persönlich erlebt, etwa bei Generalaudienzen. »Wir hoffen, dass sich der Gesundheitszustand bessert, aber wir befürchten, dass es wohl nicht so sein wird«, sagt der Mann und erzählt, er habe, wie von Franziskus gewünscht, für Benedikt gebetet.

Der Aufforderung waren viele hohe Geistliche und Bistümer überall auf der Welt nachgekommen, von Argentinien über die USA und Kanada bis nach Frankreich und Belgien. In Rom, wo Benedikt als Papst auch Bischof war, und in seinem Heimatland Deutschland wurde sowieso für den als Joseph Ratzinger geborenen Geistlichen gebetet.

Heilige Messe im Lateran

In der Lateranbasilika, einer der fünf Papstbasiliken von Rom, wird an diesem Freitagabend eine heilige Messe für Benedikt zelebriert, wie der Heilige Stuhl ankündigte. Papst Franziskus wird dabei aber nicht erwartet. Der 86 Jahre alte Argentinier hatte Benedikt schon am Mittwoch nach seinen Aussagen aus der Generalaudienz besucht.

Wie zu hören ist von Leuten, die Benedikt besser kennen, überraschte Franziskus' Rede aber auch viele im Vatikan und vor allem rund um Mater Ecclesiae. Manche Beobachter vermuten, dass der Argentinier eigentlich gar nicht vermitteln wollte, dass die Lage so schlimm sei für den Papa Emeritus oder dieser gar im Sterben liege. Vielmehr habe er eher grundsätzlich die Gläubigen auffordern wollen, für den schon sehr alten und schwachen Benedikt zu beten. Berichte, wonach der Deutsche Schwierigkeiten beim Atmen habe oder gar wichtige Vitalfunktionen langsam nachließen, bestätigte der Vatikan nicht.

»Er hat mir persönlich viel bedeutet und in der Vergangenheit viel gegeben«, erzählt der deutsche Besucher aus dem Saarland. »Es macht mich schon sehr betroffen.« Auch seine Frau berichtet von Traurigkeit, die sie wegen der Entwicklungen verspüre. Ein Mann aus Berlin, der mit seiner Familie in Rom zu Besuch ist, sagt: »Natürlich berührt das einen als Deutschen so ein bisschen.«

Ein Ehepaar aus Dresden berichtet, aus den TV-Nachrichten von den Neuigkeiten um Benedikt erfahren zu haben. Allerdings hätten die beiden die genauen Details in der italienischen Sendung nicht ganz verstanden und sie deshalb eher »nur zur Kenntnis genommen«, wie der Mann sagt. »Wir sind nicht gläubig«, ergänzt die Frau. Die beiden schlendern über den Campo Santo Teutonico, den deutschen Friedhof gleich neben dem Petersdom. Auch Benedikt hielt sich immer gerne auf dem Friedhof auf, wo es am Donnerstag sehr ruhig und andächtig zugeht - im Gegensatz zum hektischen Treiben nur wenige hundert Meter entfernt.

Bunter Sprachenmix auf dem Petersdom

Auf dem Petersplatz stellen sich immer mehr Menschen in die Warteschlange für den Dom. Ein bunter Sprachenmix ist zu hören, die Leute reden italienisch, englisch, spanisch, polnisch. Deutsch hört man eher selten. Einige setzen sich neben den großen Obelisken inmitten des Platzes auf den Boden, viele sind in ihre Handys vertieft.

Auch 2005 sah man Katholiken auf dem Petersplatz am Boden sitzen - als Papst Johannes Paul II. am Ende seines Lebens schwer krank war. Junge Leute blieben zu Hunderten sogar nachts auf dem Platz, sangen, spielten Gitarre. Nonnen versammelten sich zu kollektiven Gebeten. Die beeindruckenden und berührenden Szenen wurden teils stundenlang live in alle Welt übertragen. Mit damals lässt sich die Situation von jetzt am Lebensabend des emeritierten Papstes Benedikt XVI. nicht vergleichen.

© dpa-infocom, dpa:221229-99-46448/2