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»Signal an Peking«: Taiwans Präsidentin Tsai wiedergewählt

Die Taiwaner wollen sich nicht von Peking einschüchtern lassen. Sie lehnen eine stärkere Annäherung an das diktatorische China ab. Die Wiederwahl von Präsidentin Tsai dürfte Unmut in Peking auslösen.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen
Taiwans chinakritische Präsidentin Tsai Ing-wen vor der Stimmabgabe in Taipeh. Foto: Uncredited/POOL/dpa
Taiwans chinakritische Präsidentin Tsai Ing-wen vor der Stimmabgabe in Taipeh. Foto: Uncredited/POOL/dpa

Taipeh (dpa) - Mit einem klaren Sieg für die chinakritische Präsidentin Tsai Ing-wen haben die Taiwaner der kommunistischen Führung in Peking eine Abfuhr erteilt. Die 63-Jährige wurde am Samstag mit 57 Prozent der Stimmen für eine zweite vierjährige Amtszeit wiedergewählt.

Mit dem Votum sprachen sich die Taiwaner erneut gegen eine stärkere Annäherung an China aus, für die ihr Herausforderer Han Kuo-yu eingetreten war. Er kam laut Wahlkommission nur auf 38 Prozent.

»Ich hoffe, die Ergebnisse der Wahl senden eindeutig das richtige Signal an Peking«, sagte Präsidentin Tsai Ing-wen vor Anhängern. Das demokratische Taiwan werde »gegenüber Drohungen und Einschüchterung nicht einknicken«. China versuche, mit dem Vorschlag, einen Anschluss nach dem Hongkonger Autonomie-Modell »ein Land, zwei Systeme« zu verfolgen, der Insel »völlig inakzeptable« Bedingungen aufzuzwingen. Die Wähler hätten die Idee klar zurückgewiesen.

Die Führung in Peking betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik, obwohl es nie dazu gehört hat. Sie droht auch mit einer gewaltsamen Eroberung der demokratischen Inselrepublik. Der vor einem Jahr verkündete Plan von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, Taiwan nach dem gleichen Modell wie in der früheren britischen Kronkolonie an die Volksrepublik anschließen zu wollen, hat den Widerstand der 23 Millionen Taiwaner noch einmal mobilisiert.

Der harte Kurs Pekings gegenüber den seit einem halben Jahr anhaltenden Demonstrationen für mehr Demokratie in der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion bestärkte die Taiwaner nur noch in ihrem Widerstand. Vielen gilt Präsidentin Tsai Ing-wen als Garantin für Demokratie und Freiheit in Taiwan. Einer weiteren Annäherung an China, wie sie die Oppositionspartei der Kuomintang und ihr Kandidat Han Kuo-yu befürwortet, wird misstraut.

Die Niederlage des 62 Jahre alten Herausforderers, der als Lieblingskandidat der chinesischen Führung galt, wurde in Peking mit Enttäuschung aufgenommen. Staatsmedien zitierten Experten, die jetzt »mehr Hindernisse in den Beziehungen« vorhersagten. Einige riefen deswegen nach »unerschütterlichen Vorbereitungen für eine Wiedervereinigung«, wie die »Global Times« meinte, die vom Parteiorgan »Volkszeitung« herausgegeben wird.

Taiwans Präsidentin forderte Peking gleichwohl zu Gesprächen auf der Grundlage von »Frieden, Gleichheit, Demokratie und Dialog« auf. China müsse »die Androhung von Gewalt aufgeben« und die Existenz Taiwans als Staat anerkennen. Demokratie bedeute, dass nur die 23 Millionen Taiwaner über ihre Zukunft entscheiden könnten. »Ich hoffe, dass Peking auch guten Willen zeigen wird.«

Die Spannungen würden aber nicht abnehmen, sagte der Forscher Wu Jieh-min von der Academia Sinica in Taipeh voraus. »Nach ihrer Wahl wird Tsai weiter die wirtschaftliche Abhängigkeit Taiwans von China verringern.« Der Rückzug werde auch von den globalen Lieferketten getrieben, meinte Wu Jieh-min und verwies auf den Handelskrieg der USA mit China. Auch taiwanische Technologieunternehmen verlagerten im Zuge des Konflikts ihre Produktion an andere Standorte.

Bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl verteidigte die Fortschrittspartei (DPP) der Präsidentin mit voraussichtlich rund 60 Sitzen auch ihre Mehrheit im 113 Abgeordnete zählenden Parlament. Als dritter Präsidentschaftskandidat kam der 77-jährige James Soong von der kleinen konservativen People-First-Partei in seinem vierten Anlauf bei einer Wahl nur auf vier Prozent der Stimmen.

Der Streit um den Status Taiwans geht auf den Bürgerkrieg in China zurück. Nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten waren die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang nach Taiwan geflüchtet, das bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges unter japanischer Herrschaft stand.

Trotz der Gründung der kommunistischen Volksrepublik 1949 hielt die »Republik China« in Taiwan sogar noch mehr als zwei Jahrzehnte den ständigen Sitz Chinas im Weltsicherheitsrat. Taipeh musste ihn 1971 an Peking abgeben und verlor auch seine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Die Regierung in Taipeh ist seither aber selbst von ihren Anspruch abgerückt, ganz China zu repräsentieren.

Doch verfolgt Peking unbeirrt eine strenge »Ein-China-Politik«. Alle Staaten, die Beziehungen zur Volksrepublik unterhalten wollen, dürfen Taiwan nicht als unabhängiges Land anerkennen. So ist auch Deutschland in Taipeh nur mit einem Deutschen Institut vertreten. Trotz der diplomatischen Isolation erkennt die Staatengemeinschaft aber etwa den Pass Taiwans als gültiges Reisedokument an.

Für Aussöhnung zwischen Taiwan und China sorgte in den 1990er Jahren ein vager Konsens, wonach beide zu »einem China« gehören, auch wenn sie unterschiedliche Interpretationen akzeptierten, was darunter zu verstehen ist. Sehr zur Verärgerung Pekings lehnt Präsidentin Tsai Ing-wen den »Konsens von 1992« allerdings ab.

Politisch war immer schon strittig, wie das »eine China« aussehen soll - diktatorisch wie die Volksrepublik oder demokratisch wie Taiwan? Die Mehrheit der Taiwaner identifiziert sich aber ohnehin nicht mit China und will seine Freiheit und Selbstbestimmung wahren.

Die US-Regierung gratulierte Präsidentin Tsai Ing-wen zur Wiederwahl. Außenminister Mike Pompeo teilte mit, man gratuliere auch Taiwan dafür, ein weiteres Mal die Stärke eines robusten demokratischen Systems demonstriert zu haben. Die USA hofften, dass Taiwan unter Tsais Führung weiterhin als »ein leuchtendes Beispiel« für Länder diene, die nach Demokratie und Wohlstand strebten.

Wu Jieh-min in New York Times