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Selenskyj zeigt sich: »Wir sind in Kiew«

Russland hat die ukrainische Hauptstadt Kiew angegriffen und damit gezeigt, dass es entgegen seiner Ankündigungen nicht nur militärische Ziele anvisiert. Präsident Selenskyj zeigt Präsenz.

Krisensitzung in Kiew
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht am Ende des ersten Tages der Angriffe Russlands zur Nation. Zelensky kündigt die Verhängung des Kriegsrechts an und fordert die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren. Foto: Ukrainian President's Office
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht am Ende des ersten Tages der Angriffe Russlands zur Nation. Zelensky kündigt die Verhängung des Kriegsrechts an und fordert die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren.
Foto: Ukrainian President's Office

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich mit weiteren ranghohen Politikern in einem Video im Regierungsviertel von Kiew gezeigt. Er sei gemeinsam mit Ministerpräsident Denys Schmyhal sowie den Chefs der Präsidialverwaltung und des Parlaments in der ukrainischen Hauptstadt.

»Wir sind alle hier«, sagte Selenskyj in einem kurzen Clip, den er am Freitagabend auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte. Im Hintergrund des Videos ist das Präsidialamt zu sehen. Dazu schrieb Selenskyj: »Wir sind in Kiew. Wir verteidigen die Ukraine.« Damit reagierte Selenskyj, der wie die anderen Spitzenpolitiker ein Uniformhemd trug, auf Gerüchte, er verstecke sich in einem Bunker oder habe die Stadt verlassen.

»Wir verteidigen unseren Staat allein«

Zuvor hatte Selenskyj dem Kreml ein gezieltes Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung vorgeworfen. »Das Ziel dieser Attacke ist Druck«, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft an seine Landsleute. »Druck auf Sie, liebe Bürger. Druck auf unsere Gesellschaft.« Die Russen machten entgegen eigener Ankündigungen keinen Unterschied zwischen militärischen Zielen und Wohnhäusern.

Zugleich kritisierte der ukrainische Staatschef mangelnde Unterstützung aus dem Ausland: »Wir verteidigen unseren Staat allein. Die mächtigsten Kräfte der Welt schauen aus der Ferne zu.« Auch die neuen westlichen Strafmaßnahmen gegen Moskau seien nicht genug: »Haben die gestrigen Sanktionen Russland überzeugt? Am Himmel über uns und auf unserer Erde hören wir, dass dies nicht ausreicht.«

Die Türkei hatte zuvor die Aufforderung der Ukraine vorerst abgelehnt, die Meerengen zum Schwarzen Meer für Russland zu schließen. Nach internationalem Recht müsse die Türkei Russland unter bestimmten Bedingungen die Durchfahrt durch den Bosporus und die Dardanellen zum Schwarzen Meer garantieren, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu der türkischen Zeitung »Hürriyet« vom Freitag. Man sei aber weiter mit der Analyse der Situation beschäftigt. Er dämpfte auch die Hoffnung auf Sanktionen gegen die Russische Föderation, zu der das Nato-Mitglied Türkei enge Beziehungen unterhält. Die Türkei hat die Hoheit über die beiden Meerengen.

Selenskyj: »Das alles erinnert an 1941«

An die russische Bevölkerung gerichtet sagte Selenskyj: »Liebe Bürger der Russischen Föderation, wie ich bereits sagte, wurde heute Nacht begonnen, Wohngebiete der Heldenstadt Kiew zu bombardieren. Das alles erinnert an 1941.« Damals begann nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion der Zweite Weltkrieg für das damalige kommunistische Imperium, zu dem die Ukraine gehörte.

Mit Blick auf die Menschen, die trotz Strafandrohung in Moskau und anderen Städten gegen den Krieg demonstrierten, fügte Selenskyj hinzu: »Alle Bürger, die protestieren: Wir sehen Euch.« Uniformierte russische Sicherheitskräfte gingen dabei teils mit roher Gewalt vor. Es gab mehr als 1700 Festnahmen bei den Protesten in 55 Städten Russlands, wie das Menschenrechtsgruppe OWD-Info mitteilte.

Poroschenko: Putin ist »einfach verrückt«

Der Ex-Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, bezeichnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin als »einfach verrückt« und »böse«. Es sei einfach nur bösartig, in dieses Land zu kommen und Ukrainer zu töten, sagte Poroschenko dem US-Sender CNN in einem Interview. Der Ex-Präsident war in den Straßen von Kiew zu sehen, umgeben von ukrainischen Streitkräften. Poroschenko war von 2014 bis 2019 im Amt und hatte 2015 den Friedensplan für die Ostukraine mit ausgehandelt.

»Die Ukrainer stehen nicht in der Schlange für Brot und Geld aus dem Automaten. Wir stehen in der Schlange für Waffen«, sagte er weiter und zeigte eine Kalaschnikow. Es gebe aber nicht genug Waffen, klagte er. Auch Menschen, die niemals in der Armee gewesen seien, stünden nun Schlange, um die Ukraine zu verteidigen. »Das ist eine extrem berührende und extrem tolle Demonstration, wie das ukrainische Volk Putin hasst und wie wir uns gegen die russische Aggression wehren.«

© dpa-infocom, dpa:220225-99-281177/8