Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor einem Schauprozess gegen Soldaten in russischer Kriegsgefangenschaft gewarnt. Wenn Russland ein solches Tribunal gegen ukrainische Gefangene organisiere, dann sei das eine »Linie«, nach der keine Verhandlungen mehr möglich seien.
Das sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Er bezog sich auf Medienberichte, wonach in der von moskautreuen Separatisten und russischen Truppen eingenommenen Hafenstadt Mariupol ein solcher Gerichtsprozess geplant werde. Vor einem international nicht anerkannten Gericht könnten demnach die ukrainischen Kriegsgefangenen auch zur Todesstrafe verurteilt werden. Die Besatzungsbehörden werfen ihnen Kriegsverbrechen vor. Selenskyj kritisierte das Verfahren gegen die Verteidiger und Helden der Ukraine als »ekelhaft und absurd« und als Verstoß gegen alle internationalen Rechtsnormen. »Russland schneidet sich selbst von den Verhandlungen ab«, sagte er.
Der Separatistenführer im Gebiet Donezk, Denis Puschilin, sagte im russischen Staatsfernsehen am Montag, Selenskyjs Äußerungen hätten keinen Einfluss auf die Pläne für das »Mariupoler Tribunal«. »Alle Verbrecher, Kriegsverbrecher, vor allem die Neonazis von «Asow» müssen ihre entsprechende Strafe bekommen. Solche Verbrechen gibt es ziemlich viele«, sagte Puschilin. Die Vorbereitungen für die erste Stufe des Tribunals gingen dem Ende zu. Das Prozessdatum hänge von Ermittlern ab. »Vollkommen fertig ist das Material zu 80 Vorfällen von «Asow»-Verbrechen, 23 Menschen sind verhaftet«, sagte er.
Im Mai hatten sich die im Stahlwerk Azovstal verschanzten ukrainischen Verteidiger von Mariupol ergeben. Sie kamen in russische Gefangenschaft. In der Ukraine werden die Männer und Frauen als Nationalhelden verehrt wegen den monatelangen Verteidigung der Stadt am Asowschen Meer. Angehörige der Kriegsgefangenen des »Asow-Regimenst« hatten die ukrainische Führung zuletzt immer wieder aufgefordert, mehr Anstrengungen zu unternehmen für deren Freilassung.
© dpa-infocom, dpa:220822-99-473122/3