Jetzt steht es endgültig fest: Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder darf trotz seiner engen Verbindungen zu Russland in der SPD bleiben. Die Anträge auf Berufung gegen eine entsprechende Entscheidung der SPD-Schiedskommission in Hannover wurden von der Bundesschiedskommission aus formellen Gründen als unzulässig zurückgewiesen. Das teilte das Gremium den Antragstellern und der Öffentlichkeit mit. Damit gilt das Verfahren als abgeschlossen. Die Antragsteller fordern von Schröder nun, die Partei freiwillig zu verlassen.
Freundschaft mit Putin überdauerte russische Invasion
Der heute 79-Jährige war von 1998 bis 2005 Kanzler und von 1999 bis 2004 Parteivorsitzender. Nach seiner Abwahl als Regierungschef war er viele Jahre für russische Energiekonzerne tätig und gilt bis heute als enger Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin, von dem er sich auch nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht lossagte. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn besuchte Schröder Putin sogar in Moskau - angeblich um zu vermitteln.
Das Verfahren gegen Schröder war von 17 SPD-Gliederungen ins Rollen gebracht worden. In erster Instanz entschied der SPD-Unterbezirk Region Hannover im Sommer 2022, dass Schröder nicht gegen die Parteiordnung verstoßen habe. Dagegen legten sieben SPD-Gliederungen Berufung ein, die im März von der Schiedskommission des Bezirks Hannover zurückgewiesen wurde.
In der Begründung hieß es, es lasse sich »nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen«, dass Schröder gegen Statuten, Grundsätze oder die Parteiordnung verstoßen oder sich einer ehrlosen Handlung schuldig gemacht habe.
Auch keine mildere Sanktion
Gegen diese Entscheidung zogen dann noch die beiden Ortsvereine Leutenbach und Leipzig Ost/Nordost vor die Bundesschiedskommission. Ihre Anträge wurden aber aus formellen Gründen abgewiesen. Die Berufung wäre nur dann zulässig gewesen, wenn in erster Instanz eine nicht unerhebliche Sanktion gegen Schröder verhängt worden und es in zweiter Instanz zu einer Abschwächung dieser Sanktion gekommen wäre, hieß es zur Begründung. Die Bundesschiedskommission ist die dritte und letzte Instanz in dem Verfahren, das damit beendet ist.
Schröder darf also Parteimitglied bleiben. Ein Ausschluss wäre nach den SPD-Regularien die härteste mögliche Strafe gegen ihn gewesen. Als mildere Sanktionen standen etwa eine Rüge oder eine zeitweilige Aberkennung des Rechts zur Bekleidung von Parteifunktionen im Raum. Auch dazu kommt es jetzt nicht.
Antragsteller: Schröder hat SPD »schwer geschadet«
Für die Antragsteller ist zwar das Verfahren abgeschlossen, aber nicht der Fall Schröder. »Gerhard Schröder hat der SPD durch seine mangelnde Distanzierung von seinem Freund Wladimir Putin und aufgrund des Verbreitens russischer Narrative in Bezug auf den Krieg gegen die Ukraine der Sozialdemokratie, die sich seit jeher für Frieden und Verständigung der Völker einsetzt, schwer geschadet, und das nicht nur in Deutschland«, erklärt Pierre Orthen, Vorsitzender des Leutenbacher SPD-Ortsvereins.
Der Chef des Leipziger Ortsvereins, Lars Klaus Aßhauer, kritisierte, dass Schröder den russischen Angriffskrieg bis heute nicht einmal verurteilt habe. Beide forderten vom Ex-SPD-Chef, sein Parteibuch abzugeben.
Esken sprach sich früh für Austritt Schröders aus
Dafür hatte auch Parteichefin Saskia Esken schon im April 2022, wenige Wochen nach der russischen Invasion in der Ukraine, plädiert. Schröder agiere »seit vielen Jahren lediglich als Geschäftsmann, und wir sollten damit aufhören, ihn als Elder Statesman, als Altkanzler wahrzunehmen«, sagte sie damals. Aus dem Parteiausschlussverfahren hielt sich die SPD-Führung aber heraus und betonte stattdessen immer wieder, dass der Ex-Kanzler in der SPD ohnehin schon isoliert sei.
Von Schröder kam am Montag zunächst kein Kommentar zum Urteil der Bundesschiedskommission. Die Entscheidung in Hannover hatte er als »juristisch solide und überzeugend sowie politisch konsequent« begrüßt.
Wird Schröder noch zu Parteitagen eingeladen?
Unklar ist, wie die Parteiführung nun weiter mit Schröder umgeht. Das wird sich spätestens vor dem Bundesparteitag im Dezember zeigen. Normalerweise werden alle ehemaligen Vorsitzenden dazu eingeladen. Ob das nun auch immer noch für Schröder gilt, hat die Parteispitze bisher offen gelassen.
Auf dem Parteitag will die SPD ihre außenpolitischen Grundlinien und damit auch die Haltung zu Russland neu definieren. Es ist der erste SPD-Parteitag seit Russlands Angriff auf die Ukraine.
Schröder dürfte seiner Partei weiter auf den Geist gehen
Ziemlich sicher ist, dass Schröder seine Partei weiter nerven wird. Erst in der vergangenen Woche verärgerte er seine Genossen, als er beim Empfang der russischen Botschaft in Berlin zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg auftauchte. Unter den Gästen waren auch Ex-SED-Generalsekretär Egon Krenz und AfD-Chef Tino Chrupalla.
»Es lässt mich voller Unverständnis zurück«, kommentierte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, die Teilnahme Schröders. Generell äußern sich Partei- und Fraktionsführung inzwischen aber am liebsten gar nicht mehr zu dem Ex-Vorsitzenden. Auch zur Entscheidung der Bundesschiedskommission gab es am Montag zunächst keinen Kommentar.
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