ROM. Die Spenden für die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch sind nach der Festnahme ihrer Kapitänin Carola Rackete in die Höhe geschossen. Mehr als eine Million Euro gingen bereits ein.
Über den Aufruf der Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf kamen bis Montagmittag mehr als 735.000 Euro zusammen. Auf einer italienischen Facebook-Seite wurden mehr als 410.000 Euro gesammelt.
Rackete war mit der »Sea-Watch 3« und 40 Migranten an Bord am Wochenende unerlaubt in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa gefahren und wurde festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Die italienische Regierung sieht für das unerlaubte Einfahren bis zu 50.000 Euro Strafe vor. Die »Sea-Watch 3« wurde beschlagnahmt.
Das Spendengeld sei einerseits für die Gerichtskosten von Rackete, erklärte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer. Er fügte hinzu: »Wenn das Schiff beschlagnahmt bleibt, brauchen wir ein neues.«
Rackete sollte am Nachmittag von einem italienischen Ermittlungsrichter vernommen werden. Sie sei dazu bereits mit einem Schiff der Finanzpolizei unterwegs von Lampedusa in die sizilianische Stadt Agrigent, sagte Neugebauer. Der Richter muss dort entscheiden, ob der Hausarrest aufrecht erhalten bleibt.
Der 31-Jährigen werden Beihilfe zur illegalen Einwanderung, Verletzung des Seerechts und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, weil sie sich Anweisungen von Militärschiffen widersetzt haben soll.
Rackete hatte nach der Rettung von Migranten vor der libyschen Küste zwei Wochen auf dem Meer vergeblich auf eine Erlaubnis zum Anlegen in Italien gewartet. Sie rechtfertigte ihre Entscheidung, das Anlegen zu erzwingen, mit der verzweifelten Lage an Bord und der Sorge, dass Migranten über Bord in den Tod springen könnten.
Italien will aber keine NGO-Schiffe anlegen lassen, wenn es keine Sicherheit gibt, dass die Migranten auf andere EU-Staaten verteilt werden. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich in die Sache eingeschaltet und Italien wegen der Festnahme kritisiert.
Rackete wurde bei Kiel geboren, wuchs aber in Niedersachsen in Hambühren auf. Ihr Vater hofft nun auf den Einsatz der Bundesregierung. »Ich denke, der internationale Druck auf die italienische Regierung wird einiges bewirken«, sagte Ekkehart Rackete aus Hambühren der Deutschen Presse-Agentur.
Er halte Italien aber »nach wie vor« für einen souveränen Rechtsstaat und mache sich keine großen Sorgen um seine Tochter. Erst am Sonntag habe er mit ihr telefoniert: »Sie ist lustig und guter Dinge und sieht der ganzen Sache eigentlich gelassen ins Auge.«
Deutsche Politiker forderten eine Lösung der Flüchtlingsfrage auf europäischer Ebene. »Es geht nicht nur um einen Einzelfall, es geht darum, dass wir in Europa endlich eine Lösung finden müssen, wie wir mit Flüchtlingen gemeinsam umgehen«, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger.
Mit Blick auf die Kritik des italienischen Innenministers Matteo Salvini am Verstoß der deutschen Kapitänin sagte er im ZDF-»Morgenmagazin«: »Mir sind die Bewertungen von Salvini egal. Als Bürger Europas habe ich volles Verständnis für diese Frau, die - glaube ich - mutig gehandelt hat. Und ich habe Vertrauen in die Justiz in Italien.«
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) erklärte, Rackete habe »in einer absoluten Notlage« gehandelt. »Deswegen erwarte ich, dass Brüssel hier ein deutliches Signal sendet und die sofortige Freilassung einfordert«, sagte er der »Passauer Neuen Presse«.
Spendenseite Böhmermann Heufer-Umlauf
Rettung auf dem Meer - Die Rechtslage bei Seenot
Vater der Sea-Watch-Kapitänin: »Sie ist nicht blauäugig«
Die deutschen Kapitäne haben sich in einer Erklärung hinter die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete gestellt. Sie habe sich im Spagat zwischen ihrer Fürsorgepflicht für die Menschen auf ihrem Schiff und dem Einlaufen in den Hafen von Lampedusa ohne Genehmigung für moralisches Handeln entschieden, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere (VDKS). Dieser Entscheidung sei Respekt zu zollen.
»Es ist unerträglich, welche Ignoranz und Inkompetenz die EU beim dringendsten aller politischen Probleme an den Tag legt«, heißt es in dem Appell, den die Kapitäne über ihre internationalen Verbände auch in Brüssel vorbringen wollen. Die deutsche Regierung und die Abgeordneten sollten in der EU intensiver und aggressiver auf eine längst überfällige EU-weite Lösung dringen. (dpa)