Kanzler Olaf Scholz (SPD) will russischer Propaganda im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine in seiner ersten Rede vor der UN-Generalversammlung deutlich entgegentreten.
Scholz werde das von ihm als Zeitenwende beschriebene Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin in seiner Rede am Dienstagabend (Ortszeit) in New York klar als Völkerrechtsbruch benennen, hieß es in Regierungskreisen in Berlin. Scholz werde ein Bekenntnis zur wertebasierten multilateralen Ordnung und zur UN-Charta ablegen.
Der von Moskau geführte Meinungskrieg dürfe nicht unterschätzt werden, wurde in den Regierungskreisen gewarnt. Russland versuche, den von ihm begangenen Völkerrechtsbruch unter den Teppich zu kehren. Dem wolle Scholz elementare Wahrheiten im Zusammenhang mit dem am 24. Februar von Moskau begonnenen Angriffskrieg entgegenhalten.
Zugleich wurde in den Regierungskreisen Darstellungen widersprochen, das Weiße Haus oder die US-Regierung machten Druck auf Deutschland zur Lieferung moderner Kampfpanzer etwa vom Typ Leopard 2. Es gebe auch keine entsprechenden Bitten. Vielmehr gebe es von US-Seite große Anerkennung für das, was Deutschland zur Unterstützung der Ukraine leiste. Es gebe hier »überhaupt keine Reibung«, hieß es.
Kreise: Keine Reibung mit USA wegen Panzerdebatte
Mit Blick auf die ablehnende Haltung des Kanzlers zur Lieferung von Kampfpanzern stehe keine Veränderung an, hieß es in den Kreisen weiter. Zugleich wurde aber betont, auch der Kanzler habe nie gesagt, er werde niemals Panzer liefern. Er habe vielmehr immer erklärt, die Bundesregierung mache keine Alleingänge. Im Moment gebe es kein Land, das westliche Kampfpanzer liefere oder dies vorhabe. Langfristig bleibe es Ziel, dass sich die Ukraine mit einer modernen Armee verteidigen könne. Zugleich wurde in den Regierungskreisen erklärt, im Kanzleramt werde nicht an einer Neuauflage des sogenannten Minsker Friedensprozesses für die Ukraine gearbeitet.
Die Rede von Scholz vor der Generalversammlung habe den Anspruch, Vorschläge zu machen, was die Zeitenwende im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine für die UN bedeute, machten die Regierungskreise weiter deutlich. Scholz werde die Rede voraussichtlich zwischen 18.00 Uhr und 20.00 Uhr Ortszeit halten (0.00 Uhr bis 2.00 Uhr deutscher Zeit am Mittwochmorgen).
Kein bilaterales Treffen von Scholz mit Biden geplant
Ein bilaterales Treffen des Kanzlers mit US-Präsident Joe Biden am Rande der Generalversammlung ist nach Angaben der Regierungskreise nicht geplant. Scholz werde auf Biden aber bei mehreren Gelegenheiten in größerem Rahmen treffen. Am Mittwoch ist unter anderem ein Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres geplant. Sollte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zur Generalversammlung anreisen, wolle Scholz sich auch mit diesem bilateral treffen.
Scholz will nach diesen Informationen zudem an einem von Guterres einberufenen Gipfel zur Ernährungssicherheit teilnehmen. Außerdem werde der Kanzler für die von der Bundesregierung am 25. Oktober geplante Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine werben - genauso wie für ambitionierte Ergebnisse des Klimagipfels in Ägypten im November. Nach den Informationen aus den Regierungskreisen plant der Kanzler zudem einen Redaktionsbesuch bei der New York Times und die Aufzeichnung einer Sendung des US-Fernsehsenders NBC.
Der Kanzler will sich in New York zudem mit Vertretern jüdischer Organisationen treffen. Es ist sein erster Besuch in New York und bei den Vereinten Nationen seit seinem Amtsantritt vor neun Monaten.
Baerbock reist per Linienflug an
Außenministerin Annalena Baerbock will an diesem Dienstag ebenfalls zur UN-Generalversammlung reisen. Nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amts will die Grünen-Politikerin mit einem Linienflug nach New York fliegen. In Regierungskreisen hieß es, ob es gemeinsame Termine von Scholz und Baerbock am Rande der UN-Versammlung geben werde, sei noch offen.
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