Logo
Aktuell Inland

Scholz und Starmer wollen Neustart

Nur rund zwei Monate nach dem Amtsantritt besucht Großbritanniens neuer Premierminister Berlin. Keir Starmer will nach dem Brexit einen Neustart mit Deutschland. Der Kanzler zeigt sich optimistisch.

Britischer Premierminister Keir Starmer in Berlin
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) empfing den neuen britischen Premierminister zum Antrittsbesuch in Berlin. Foto: Christoph Soeder/DPA
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) empfing den neuen britischen Premierminister zum Antrittsbesuch in Berlin.
Foto: Christoph Soeder/DPA

Nach dem Regierungswechsel in Großbritannien vor rund zwei Monaten will Deutschland seine Beziehung zu dem aus der EU ausgetretenen Land auf eine neue Grundlage stellen. Dazu soll Anfang nächsten Jahres ein umfassendes Abkommen zu allen Bereichen der Zusammenarbeit unterzeichnet werden, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Premierminister Keir Starmer beim Antrittsbesuch des britischen Regierungschefs ankündigten. 

»Ich freue mich über die Ankündigung von Keir Starmer, dass er einen Neustart im Verhältnis zur Europäischen Union suchen wird. Diese ausgestreckte Hand wollen wir ergreifen«, sagte Scholz. Starmers sozialdemokratische Labour-Partei gehört derselben europäischen Parteienfamilie an wie die SPD von Kanzler Scholz. »Einen solchen Vertrag hat es zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich noch nicht gegeben«, betonte Scholz. 

Sicherheit, irreguläre Migration und Wirtschaft 

Der Vertrag zwischen den beiden Ländern soll nach geplanten Regierungskonsultationen unterzeichnet werden, wie es in einer gemeinsamen Erklärung zu dem Vorhaben heißt. Inhaltlich soll die Vereinbarung ein breites Spektrum an Themen umfassen. Sowohl bei sicherheitspolitischen Fragen als auch bei der Strafverfolgung irregulärer Migration wollen sich beide Länder demnach abstimmen. Außerdem soll es in dem Abkommen um die wirtschaftliche Zusammenarbeit gehen. 

Starmer sprach von einer Chance, die sich einer Generation nur einmal biete. »Wir möchten einen Neustart«, sagte der neue britische Regierungschef. Er kam nach nur etwa zwei Monaten im Amt zum Antrittsbesuch nach Deutschland. Sein konservativer Vorgänger Rishi Sunak hatte 18 Monate verstreichen lassen, bevor er im April dieses Jahres seinen Antrittsbesuch in Berlin absolvierte. Dabei verständigten sich die beiden auf eine gemeinsame Erklärung zur Vertiefung der Zusammenarbeit im Sicherheits- und Verteidigungsbereich.

Konkret ausarbeiten wollen die beiden Länder nun unter anderem die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung illegaler Migration. Im Gespräch habe man sich darauf geeinigt, einen gemeinsamen Aktionsplan zu erarbeiten, um das Thema anzugehen, sagte Starmer. »Denn wir können die Schmugglerbanden nicht zerschlagen ohne die Hilfe unserer Partner«, betonte der 61-Jährige. Dafür tausche man auch nachrichtendienstliche Informationen aus. 

Bremst Starmer die Annäherung aus? 

In Großbritannien wird durchaus hinterfragt, wie die engere Zusammenarbeit aussehen soll. Tatsächlich hat Starmer viel ausgeschlossen, was eine deutlich engere Beziehung mit den EU-Staaten eigentlich schwer möglich macht. Ein Neustart bedeute nicht, den Brexit rückgängig zu machen oder dem Binnenmarkt oder der EU-Zollunion wieder beizutreten, betonte Starmer in Berlin. 

Den EU-Austritt rückgängig zu machen, lehnt der Premierminister wohl auch aus strategischen Gründen ab. Zu groß scheint in seiner Labour-Partei die Angst, wertvolle Wählerstimmen zu verlieren. 

Wirtschaft leidet nach Brexit 

Dass Großbritannien seit 2021 nicht mehr zur EU-Zollunion und dem Binnenmarkt gehört, hat der heimischen Wirtschaft nach Ansicht von Experten stark geschadet. Seitdem kommt es trotz eines Freihandelsabkommens zu Handelshürden, etwa durch neue Zölle und mehr Bürokratie. In Umfragen sprechen sich mittlerweile rund zwei Drittel der Briten für eine Rückkehr in die EU aus.

Schwer getroffen hat der Brexit nicht zuletzt den Austausch von Wissen und Menschen. Seit einigen Jahren sind für Beschäftigte, aber auch für Referenten und Praktikanten teure Visa nötig. »Mehr Kontakte zwischen den Menschen sowie die Bereiche Jugend und Bildung« sind daher explizit für den geplanten deutsch-britischen Vertrag vorgesehen. »Wer sich gut kennt, versteht sich auch besser«, sagte Scholz dazu.

Mehr Bewegungsfreiheit für junge Menschen? 

Um einen Austausch zu ermöglichen, treibt die EU die Idee eines Jugendmobilitätsprogramm (Youth Mobility Scheme) voran, wie es Großbritannien mit einigen Nicht-EU-Staaten bereits hat. Damit könnten junge Menschen für eine gewisse Zeit im Vereinigten Königreich leben und arbeiten können, ohne dass sie ein Visum benötigen. 

Doch auch hier tritt Starmer auf die Bremse. »Wir haben keine Pläne für ein Youth Mobility Scheme, aber Pläne für eine engere Beziehung«, sagte er.

© dpa-infocom, dpa:240828-930-215388/3