Zur Gewährleistung der Energieversorgung in Deutschland will die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit Golfstaaten ausbauen. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste dazu am Wochenende in die Golfregion. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) schloss der Essener Energiekonzern RWE am Sonntag einen Vertrag über eine erste Lieferung von Flüssiggas (LNG) ab. Zudem wurde ein Memorandum über mehrjährige Lieferungen ab 2023 unterzeichnet. In Deutschland tobt weiter die Debatte, wie die hohen Energiepreise für Menschen und Wirtschaft abgefedert werden können. Die geplante Gasumlage wackelt, nachdem sie nun auch Finanzminister Christian Linder (FDP) infrage gestellt hat.
Energiefragen standen im Mittelpunkt der Reise, die Scholz am Wochenende nach Saudi-Arabien, in die VAE und nach Katar führte. Der Kanzler betonte am Sonntag in Abu Dhabi die Wichtigkeit, auf möglichst viele Anbieter zu setzen. Die Abhängigkeit von einem Lieferanten »wird uns sicherlich nicht wieder passieren«, sagte er mit Blick auf Russland.
Gasumlage steht infrage
Zunehmend infrage steht die Gasumlage, mit der Gasimporteure gestützt werden sollen, die wegen ausbleibender russischer Lieferungen hohe Kosten für Ersatzbeschaffungen haben. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht hier noch finanzverfassungsrechtliche Fragen zu klären, nun zieht auch der Finanzminister das Instrument in Zweifel. »Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage«, sagte Lindner der »Bild am Sonntag«. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte, die Gasumlage könne weg, sobald es aus dem Finanzministerium die Bereitschaft für eine Alternative gebe. »Diese Alternative heißt: eine Finanzierung aus Haushaltsmitteln«, sagte Lang.
Scholz stellte baldige Vorschläge für eine Dämpfung der Gaspreise in Aussicht. Eine Kommission habe dazu am Samstag Beratungen aufgenommen. »Wir werden da auch mit schnellen Ergebnissen rechnen können«, sagte der Kanzler am Sonntag in Katar in der Hauptstadt Doha. Es seien alle Faktoren gemeinsam zu betrachten, »damit die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen nicht vor für sie unlösbare Aufgaben gestellt werden«. Er hob mit Blick auf die Bemühungen um eine breitere Versorgung mit Gas erneut hervor, dass man nun zu Herbstbeginn sagen könne: »Wir kommen wohl durch diesen Winter.«
Gaspreisdeckel gefordert
Grünen-Chefin Lang sprach sich für eine Deckelung der Gaspreise für den Grundbedarf aus. Forderungen nach Preisdeckeln kamen am Wochenende auch von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), vom Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, und der Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU).
Die norddeutschen Flächenländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sprachen sich derweil für eine Aufteilung Deutschlands in unterschiedliche Preiszonen beim Strom aus. Laut »Welt am Sonntag« wollen die Länder so für mehr Gerechtigkeit bei den Strompreisen sorgen. Der Norden trage seit Jahren die Hauptlast der Energiewende, hieß es zur Begründung. Söder hielt dem Norden den Länderfinanzausgleich entgegen, in den Bayern neun Milliarden Euro einzahle und so die norddeutschen Haushalte mit stütze.
Mit den hohen Energiepreisen befasst sich am Montag auch der Verbrauchertag, eine Veranstaltung der Verbraucherzentralen. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte in einem dpa-Gespräch eine gesetzliche Regelung an, die Strom- und Gassperren verhindert.
Am Mittwoch beraten dann die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit Scholz. Die Koalition hatte ein drittes Entlastungspaket im geschätzten Umfang von 65 Milliarden Euro vorgestellt. Dazu zählen Einmalzahlungen für Rentner und Studierende, ein Preisdeckel für einen Grundbedarf an Strom und eine Beteiligung des Bundes für ein Folgeangebot des 9-Euro-Tickets für Busse und Bahnen im Nahverkehr. Noch wird aber über die Finanzierung der Maßnahmen gerungen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfalen, forderten eine faire Lastenverteilung.
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