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Scholz sagt Ukraine weitere Unterstützung zu

Der Bundeskanzler hält im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine an seiner Linie fest - und warnt vor zu schnellem Handeln. Er unterstreicht aber sein Ja zu Waffenlieferungen.

Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht bei der 1. Mai-Kundgebung des DGB in Düsseldorf. Foto: David Young
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht bei der 1. Mai-Kundgebung des DGB in Düsseldorf.
Foto: David Young

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt.

»Wir werden die Ukraine weiter unterstützen, mit Geld, mit humanitärer Hilfe, aber auch das muss gesagt werden: Wir werden sie unterstützen, dass sie sich verteidigen kann, mit Waffenlieferungen, wie viele andere Länder in Europa das auch machen«, sagte Scholz am Sonntag bei einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Düsseldorf. »Ich fordere den russischen Präsidenten auf: Lassen Sie die Waffen schweigen! Ziehen Sie Ihre Truppen zurück! Respektieren Sie die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine!«

Radikaler Pazifismus »aus der Zeit gefallen«

»Ich respektiere jeden Pazifismus, ich respektiere jede Haltung, aber es muss einem Bürger der Ukraine zynisch vorkommen, wenn ihm gesagt wird, er solle sich gegen die Putinsche Aggression ohne Waffen verteidigen«, sagte Scholz weiter. »Das ist aus der Zeit gefallen!«, sagte Scholz. »Ich sage ganz klar: Wir werden nicht zulassen, dass hier mit Gewalt Grenzen verschoben und ein Territorium erobert wird.«

Der Kanzler sprach vor lauten Protestierern, die »Frieden schaffen ohne Waffen« riefen. Er musste seine eigene Stimme kräftig strapazieren, um sich Gehör zu verschaffen.

Scholz befürchtet weltweite Hungerkrise

Durch den Ukraine-Krieg droht nach Scholz' Worten eine weltweite Hungerkrise. »Dieser Krieg wird Folgen haben, Folgen auf der ganzen Welt«, sagte Scholz in Düsseldorf. »Jetzt schon müssen wir uns Sorgen machen, dass es welche gibt, die hungern werden, dass es Länder gibt, die sich kein Getreide für ihre Bevölkerung mehr leisten können. Dass diese ganze Kriegssituation auch noch zu einer weltweiten Hungerkrise führt.« Scholz bezog sich damit darauf, dass die Ukraine, eine der großen Kornkammern der Welt, in ihren Exportmöglichkeiten durch den Krieg massiv eingeschränkt ist. Er versicherte: »Wir werden diese armen Länder nicht alleine lassen, wir werden sie unterstützen.«

Höherer Mindestlohn und stabile Renten

Die deutlich höheren Verteidigungsausgaben Deutschlands werden nach Scholz' Angaben zu keinem Kurswechsel der Bundesregierung in sozialen Bereichen führen. »Und wenn wir jetzt mehr Geld ausgeben für Sicherheit und Verteidigung, weil wir das müssen angesichts dieser Aggression, dann gilt aber auch das Folgende: Wir werden keines unserer Vorhaben beenden, das wir für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft in diesem Land auf den Weg bringen wollen«, sagte Scholz.

So sei in dieser Woche das Gesetz beraten worden für eines der wichtigsten Vorhaben, mit denen der Zusammenhalt in der Gesellschaft vorangebracht werde: »Wir werden den Mindestlohn, den wir erkämpft haben, anheben auf 12 Euro«, betonte der Kanzler in Düsseldorf. Über sechs Millionen Bürgerinnen und Bürger würden mehr Geld verdienen. Man werde auch dafür sorgen, dass sich der Mindestlohn regelmäßig weiterentwickele. »Jeder muss von dem, was er verdient mit seiner schweren Arbeit, auch leben können.« Außerdem gehöre am Ende des Arbeitslebens die Klarheit dazu, dass es stabile Renten, ein stabiles Rentenniveau gebe. »Auch das werden wir machen«, sagte Scholz.

»Übereiltes Agieren suspekt«

Scholz hatte seine Ukraine-Politik zuvor gegen Vorwürfe verteidigt, er agiere zu zögerlich und ängstlich angesichts der russischen Aggression. »Ich treffe meine Entscheidungen schnell - und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt«, sagte der SPD-Politiker der »Bild am Sonntag«.

CDU-Chef Friedrich Merz hatte dem Kanzler diese Woche mit Blick auf deutsche Waffenlieferungen für Kiew Ängstlichkeit und Zaudern vorgehalten. Auch der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk nannte Scholz' Politik träge. »Olaf Scholz macht es wohl wie Angela Merkel: Erst mal abwarten, zuschauen und irgendwann später entscheiden - oder auch nicht. Was fehlt, sind Fantasie und Mut«, sagte er der »Bild am Sonntag« mit Blick auf die deutsche Reaktion auf die Invasion der russischen Armee.

Scholz machte nach dem Bericht klar, dass er an seinem Kurs festhalten will. »Ich bin nicht ängstlich genug, um mich von solchen Vorwürfen beeindrucken zu lassen«, sagte er. Gleichzeitig betonte er, dass harsche Kritik an seinen Entscheidungen legitim sei. »In einer Demokratie gehört es dazu, dass man von der Opposition robust angegangen wird. Dafür ist sie da.«

Deutschland liefert schwere Waffen

Die Bundesregierung hatte am Dienstag die Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern der deutschen Rüstungsindustrie genehmigt. Sie sind die ersten schweren Waffen, die direkt aus Deutschland in die Ukraine geliefert werden. Vor dem Ukraine-Krieg galt der Grundsatz, keine Waffen in Krisengebiete abzugeben.

Scholz antwortete anschließend bei einem Besuch in Japan allerdings nicht auf die Frage, ob die Bundesregierung auch die von der Ukraine erbetene Lieferung von Leopard-Kampfpanzern, Marder-Schützenpanzern oder Panzerhaubitzen genehmigen werde.

Auch sein persönlicher Umfrageabsturz in der Beliebtheit bei den Bürgern lässt Scholz nicht umdenken: »Umfragen sollte man zur Kenntnis nehmen, man darf aber nicht sein Handeln davon abhängig machen. Gerade in Fragen von Krieg und Frieden wäre das brandgefährlich.«

Eine Mehrheit von 54 Prozent der Bürger ist nach einer repräsentativen Insa-Umfrage für die »Bams« mit der Arbeit von Scholz unzufrieden. Das ist ein Rekordwert seit seiner Vereidigung und das erste Mal, dass mehr als die Hälfte unzufrieden sind.

© dpa-infocom, dpa:220501-99-111523/8