BERLIN. Die Corona-Krise hat ein riesiges Loch in die Staatskassen gerissen - die Bundesregierung ist aber optimistisch, dass das Schlimmste auch finanziell bald überstanden ist.
Wegen der erst langsam abflauenden dritten Corona-Welle müssen Bund, Länder und Kommunen in diesem Jahr zwar mit rund 2,7 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen auskommen als noch im November erwartet. Auch für 2022 korrigierten die Steuerschätzer ihre Vorhersage nach unten, wie das Finanzministerium am Mittwoch in Berlin bekanntgab. Für die Jahre bis 2025 sind die Experten inzwischen aber positiver gestimmt: Sie hoben ihre 5-Jahres-Prognosen um 10 Milliarden Euro an.
»Klotzen statt kleckern war richtig, unsere entschlossene Hilfspolitik wirkt«, erklärte Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Deutschland habe seine Finanzen im Griff. »So ein Erfolg fällt nicht vom Himmel. Er ist das Ergebnis einer gestaltenden Politik, einer Politik, die zupackt statt zuzuschauen.«
Wegen der Pandemie schwingt bei den Steuerschätzungen seit dem vergangenen Jahr mehr Unsicherheit mit als früher. Es ist kaum vorhersehbar, ob eine weitere Infektionswelle Wirtschaft und Konsum noch einmal ausbremst, wie das Virus mutiert und ob die Impfungen vorankommen, wie geplant.
Zuletzt hatten auch die Hilfsprogramme der Bundesregierung die Steuereinnahmen immer wieder gedrückt, etwa der ermäßigte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie, veränderte Abschreibungsregeln und neue Regeln für das Verrechnen von Unternehmensverlusten. Die Steuerschätzer gehen aber davon aus, dass der Staat in diesem Jahr immerhin rund 33,8 Milliarden Euro oder 4,6 Prozent mehr einnimmt als im Krisenjahr 2020.
Ein Indiz dafür, dass die Steuereinnahmen bald wieder anziehen könnten, ist die Konjunkturprognose der Bundesregierung. »Dieses Jahr ist das Jahr, in dem wir die Trendwende endgültig schaffen«, hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im April angekündigt. Die Regierung rechnet für 2021 mit einem Zuwachs der Wirtschaftsleistung von 3,5 Prozent - und ist damit optimistischer als zur Zeit der vergangenen Steuerschätzung.
Vizekanzler Scholz plant angesichts der hohen Pandemie-Kosten und der erwarteten niedrigen Steuereinnahmen für das laufende Jahr mit Rekordschulden. Erst kürzlich stimmte der Bundestag seinem Nachtragshaushalt zu und ermöglichte ihm damit neue Kredite von insgesamt 240,2 Milliarden Euro. Das Geld ist vor allem für pandemiebedingte Ausgaben wie Unternehmens- und Familienhilfen sowie für Gesundheitsmaßnahmen wie den Kauf von Impfstoffen verplant.
Der Finanzpolitiker der Union, Eckhardt Rehberg, betonte, die niedrigen Steuereinnahmen gingen vor allem zu Lasten des Bundes - Länder und Gemeinden dagegen erreichten schon in diesem Jahr wieder das Vorkrisenniveau. Weitere Hilfen aus dem Bundes-Topf dürfe es daher nicht geben. Rehberg forderte zudem die Bundesregierung auf, »endlich Maß zu halten« und nicht neue Ausgaben zu versprechen, ohne die Finanzierung darzulegen. »Es ist kein Ausweis von Stärke, neue Ausgaben mit Schulden zu finanzieren, sondern der denkbar einfachste Weg«, betonte er.
Scholz dagegen plant auch für das kommende Jahr mit 81,5 Milliarden Euro an neuen Schulden. Damit müsste erneut die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse genutzt werden, die eigentlich nur eine ganz geringe Nettokreditaufnahme erlaubt. Beschließen wird den Etat für 2022 nach der Bundestagswahl aber ein neuer Bundestag. Bis dahin müssen die Wahlkämpfer die Frage beantworten, wie sie mit der schwierigen Finanzsituation umgehen wollen: weiter Schulden machen, um die Folgen der Pandemie abzufedern, Steuern erhöhen oder ein Sparprogramm auflegen, um die Schuldenbremse schnellstmöglich wieder einzuhalten.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt in der Regel zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst. In dem Gremium sitzen Experten der Bundesregierung, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, Vertreter der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen. (dpa)