Erfurt (dpa) - Kurz vor der Landtagswahl in Thüringen zeichnet sich nach Umfragen eine schwierige Regierungsbildung ab.
Die rot-rot-grüne Koalition von Deutschlands einzigem Ministerpräsidenten der Linken, Bodo Ramelow, könnte danach ihre knappe Mehrheit verlieren. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer sieht Rot-Rot-Grün bei 44 Prozent.
»Ich werbe nicht für eine Partei, sondern für Rot-Rot-Grün«, sagte Ramelow am Freitag in Erfurt. Er wisse, es sei in Deutschland ungewöhnlich, im Wahlkampf für ein Regierungsmodell einzutreten. Aber dazu stehe er.
Ziel der in Thüringen traditionell starken Linken sei nicht nur ein hohes Ergebnis bei der Abstimmung in zwei Tagen, sondern auch der Gewinn möglichst vieler Direktmandate, sagte Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.
Die Linke kommt der Umfrage zufolge als stärkste Partei auf 28 Prozent, ihre Koalitionspartner SPD und Grüne auf 9 beziehungsweise 7 Prozent. Auch eine CDU-Regierung mit SPD, Grünen und der um 5 Prozent schwankenden FDP hätte danach keine Mehrheit. Linke, SPD und FDP wollten am Freitag ihren Wahlkampf abschließen. Am Sonntag sind 1,73 Millionen Thüringer aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. 2014 hatte die Wahlbeteiligung nur bei 52,7 Prozent gelegen.
Die CDU, die mehr als zwei Jahrzehnte in Thüringen regiert hat, kommt auf 26 Prozent und würde ihre Rolle als stärkste Partei verlieren. CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring kann sich angesichts eines erwartet engen Wahlausgangs eine Viererkoalition seiner Partei mit Grünen, SPD und FDP vorstellen. »Meine Idee ist, das Land wieder zusammenzuführen und Brücken zu bauen und wahrscheinlich kann man das sogar mit drei Partnern in einer Viererkonstellation gut machen«, sagte Mohring.
Die AfD, die in Thüringen vom Wortführer des rechtsnationalen Flügels Björn Höcke geprägt wird, bekäme laut Forschungsgruppe Wahlen 21 Prozent. Im Gegensatz zu den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg vor zwei Monaten zeichnete sich in Thüringen früh ab, dass die AfD deutlich hinter der Partei des Ministerpräsidenten liegt.
Ramelow warf der AfD vor, sich zu Unrecht als Anwalt ostdeutscher Belange zu stilisieren. Die Partei mache 30 Jahre nach dem Mauerfall Wahlkampf mit Slogans wie »Die Wende vollenden«, dabei stünden im Landesverband Westdeutsche wie Höcke an der Spitze, sagte Ramelow am Freitag im ZDF-»Morgenmagazin«. »Die AfD maßt sich an, die Kümmererpartei zu sein. Sie ist aber eine Partei, die nichts kennt außer Empörung.«
CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring warnte vor einem Auseinanderdriften der Gesellschaft. »Eine neue Regierung hat genau diese Aufgabe: Das Land zusammenzuhalten«, sagte Mohring am Freitag im ZDF-»Morgenmagazin«. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass »Angst und Hass und Einschüchterung« gewinnen. Mohring, aber auch Politiker anderer Parteien, hatten Morddrohungen erhalten.
Viele Thüringer gaben bereits vor dem Wahlsonntag ihre Stimme ab. Mehr als jeder achte Wahlberechtigte (13,2 Prozent) habe bisher Briefwahlunterlagen angefordert, teilte Landeswahlleiter Günter Krombholz mit. Das seien deutlich mehr als zum gleichen Zeitpunkt bei der Wahl vor fünf Jahren mit einem Anteil von 10,1 Prozent. Bis vergangenen Mittwoch hätten rund 174.000 Wähler die Unterlagen an ihre Gemeinde zurückgeschickt oder dort abgegeben.