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Regierungswechsel in Brasilien - Lula vereidigt

Amtsvorgänger Bolsonaro hat die Gesellschaft tief gespalten und das Land isoliert. Präsident Lula will die Menschen nun versöhnen und Brasilien wieder auf das internationale Parkett führen.

Amtseinführung Lula
Nach der Amtseinführung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der brasilianische Präsidenten Luis Inacio Lula da Silva. Foto: Guido Bergmann
Nach der Amtseinführung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der brasilianische Präsidenten Luis Inacio Lula da Silva.
Foto: Guido Bergmann

Neuanfang im größten Land Lateinamerikas: Der frühere Schuhputzer, Gewerkschaftsführer und Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva ist nach mehrjähriger Politikpause als neuer Präsident Brasiliens vereidigt worden. »Ich werde für 215 Millionen Brasilianer regieren und nicht nur für diejenigen, die mich gewählt haben«, sagte er am Sonntag bei seiner Antrittsrede im Kongress. »Niemand ist an einem Land interessiert, das sich ständig im Kriegszustand befindet.«

Der Links-Politiker hatte sich Ende Oktober in einer Stichwahl gegen seinen rechten Vorgänger Jair Bolsonaro durchgesetzt. Der Ex-Militär, dessen Amtsführung das Land tief gespalten und ihm den Beinamen »Donald Trump der Tropen« eingebracht hat, erkannte seine Niederlage nie ausdrücklich an. Seine Anhänger blockierten nach der Wahl wochenlang Landstraßen und riefen das Militär zum Putsch auf.

Lula setzte dem auch von der deutschen Regierung kritisierten Gebaren seines Amtsvorgängers eine versöhnliche Botschaft ans Volk entgegen: »Nie wieder Hass, Fake News, Waffen und Bomben. Unsere Menschen wollen Frieden, um zu arbeiten, zu studieren, sich um ihre Familien zu kümmern und glücklich zu sein«, sagte der 77-Jährige.

Amtseinführung

Mehr als ein Dutzend Staatschefs nahmen an der Amtseinführung teil, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Nach den Feierlichkeiten gab es in der Hauptstadt Brasília ein großes Musikfestival mit mehr als 40 Künstlern.

Lula hatte Brasilien - das ungefähr 23-mal so groß ist wie Deutschland, aber nur gut ein Drittel der Wirtschaftskraft hat - bereits von 2003 bis 2010 regiert. Seine Regierung profitierte damals vom Rohstoffboom und konnte über große Sozialprogramme Millionen Menschen aus der Armut holen. Allerdings blühte auch die Korruption. Lula wurde 2018 selbst wegen Korruption und Geldwäsche zu einer langen Haftstrafe verurteilt und verbrachte 580 Tage im Gefängnis. Später wurde das Urteil vom Obersten Gerichtshof allerdings aus formalen Gründen wieder aufgehoben.

Nun ist er der erste demokratisch gewählte Präsident in Brasilien, der eine dritte Amtszeit antritt. Entgegen den Gepflogenheiten nahm sein Vorgänger nicht an der Vereidigung teil. Mit seiner Familie war Bolsonaro bereits am Freitag in die USA gereist. Deshalb wurde die Präsidentenschärpe von einer ganze Gruppe von Menschen übergeben, die die Vielfalt des Landes repräsentieren sollten: ein Schüler, eine Sängerin, ein Schlosser, ein Indigener, eine Köchin, ein Künstler und ein Influencer.

Lulas Vorstellungen und Gegner

Lula steht nun vor großen Herausforderungen. Nachdem Bolsonaro innenpolitisch stark polarisiert und Brasilien auf der Weltbühne isoliert hat, will der neue Präsident sein Land vereinen und zurück auf das internationale Parkett führen. Lula kündigte eine entschlossene Umweltschutz- und Klimapolitik sowie Maßnahmen gegen den wieder zunehmenden Hunger im Volk an. Allerdings bekommt er es mit einem Parlament zu tun, in dem Anhänger Bolsonaros die größte Fraktion stellen.

Gleich nach seiner Vereidigung unterzeichnete Lula eine Reihe von Dekreten. So ordnete er Sonderzahlungen an die ärmsten Familien an, verlängerte die Steuerbefreiung für Kraftstoffe, ließ den Kampf gegen die Abholzung des Regenwaldes wieder aufnehmen, reaktivierte den Amazonas-Fonds und verbot den Bergbau in Umweltschutzgebieten.

Bedeutung für Deutschland

Auch Deutschland hofft nach dem Regierungswechsel auf einen Neustart der Beziehungen. »Es ist gut zu wissen, dass Brasilien zurück ist auf der internationalen Bühne«, sagte Bundespräsident Steinmeier. Er traf Lula bereits am Samstag zu einem Gespräch. »Wir brauchen eine brasilianische politische Führung, die ihre Rolle spielen wird - nicht nur in der wirtschaftlichen Kooperation, sondern auch beim Schutz des Weltklimas.« Er habe mit Freude festgestellt, dass Lula gewillt sei, mit Brasilien genau diese Rolle zu erfüllen.

Das Amazonasgebiet mit seiner riesigen Artenvielfalt ist im Kampf gegen den Klimawandel von großer Bedeutung. Der Regenwald bindet immense Mengen des Treibhausgases CO2 und spielt für das Weltklima eine große Rolle. In Bolsonaros Amtszeit hatten Abholzung und Brandrodung aus Profitgier deutlich zugenommen. Lula will den Regenwald nun besser schützen.

Steinmeier teilte mit, dass Deutschland kurzfristig 35 Millionen Euro für den Amazonas-Fonds zum Schutz des Regenwaldes bereitstellen werde. Dabei handelt es sich um Geld, das in der Zeit des rechten Präsidenten Bolsonaro eingefroren war. »Es kommt uns allen darauf an, dass wir die grüne Lunge der Erde, die Regenwälder des Amazonas erhalten«, sagte Steinmeier.

Als großer Produzent von Lebensmitteln und erneuerbaren Energien dürfte Brasilien künftig auch beim Welthandel eine immer wichtigere Rolle zukommen. Ein fertig ausgehandeltes Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) liegt derzeit auf Eis - unter anderem, weil Kritiker in Europa befürchten, der Vertrag könnte mehr Anreize zur Ausweitung der Landwirtschaft und damit zur Abholzung des Regenwalds setzen.

»Ich habe nach dem Gespräch auch den Eindruck, dass Zuversicht gerechtfertigt ist, was die Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Südamerika und Europa angeht«, sagte Steinmeier am Sonntag. Lula habe sehr deutlich gemacht, dass er in die Verhandlungen über das Mercosur-Handelsabkommen wieder einsteigen werde.

© dpa-infocom, dpa:230101-99-73165/4