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Razzien wegen antisemitischer Straftaten in Bayern

Seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel bricht sich Antisemitismus auch hierzulande verstärkt Bahn. Behörden sind nun mit koordinierten Razzien gegen die Verbreitung von Judenhass vorgegangen.

Razzien in Bayern
Die Polizei durchsucht ein Objekt in München. Foto: Peter Kneffel/DPA
Die Polizei durchsucht ein Objekt in München.
Foto: Peter Kneffel/DPA

Die Verdächtigen sollen den Terrorangriff der Hamas auf Israel gefeiert und Hass auf Juden verbreitet haben: Die bayerischen Strafverfolgungsbehörden sind mit Razzien in zehn Kommunen gegen mutmaßliche Antisemiten vorgegangen. Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten am Morgen mehrere Objekte.

Sie ermitteln nach Angaben des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) gegen 17 Beschuldigte, die sich in sozialen Netzwerken volksverhetzend geäußert, Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet oder Straftaten gebilligt haben sollen.

Justizminister Georg Eisenreich und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) betonten, Polizei und Justiz in Bayern hätten »ein deutliches Signal gegen Antisemitismus« gesetzt. »Volksverhetzung kann in schweren Fällen auch Freiheitsstrafen zur Folge haben«, warnte Eisenreich die Verfasser von Hassbotschaften.

Die Strafverfahren gegen die 17 Beschuldigten sollen auch keine schlagzeilenträchtige Einmalaktion bleiben: »Durch die akribische Auswertung der Beweismittel erhoffen wir uns auch neue Ermittlungsansätze zu weiteren Taten und Tätern«, sagte Innenminister Herrmann.

Im Alter zwischen 18 und 62 Jahren

Bei den Verdächtigen handelt es sich um 2 Frauen und 15 Männer im Alter zwischen 18 und 62 Jahren. Schwerpunkt der Aktion waren demnach Stadt und Landkreis München, wo die Behörden neun Tatverdächtige in den Blick nahmen und ebensoviele Objekte durchsuchten. Weitere Durchsuchungen gab es in Füssen und Kaufbeuren sowie in den Landkreisen Passau, Fürstenfeldbruck, Berchtesgadener Land, Coburg, Aschaffenburg und Haßberge.

Ein Beschuldigter hatte den Angaben zufolge in einem WhatsApp-Klassenchat einen Sticker verschickt, der einen Clown mit der Aufschrift »Gas the Jews« zeigte. Ein deutsch-türkischer Beschuldigter soll über seinen Account gepostet haben, dass »die jüdischen Söhne« nichts anderes verdient hätten, als geschlachtet »und ausgelöscht zu werden«.

Ein türkischer Staatsangehöriger postete laut LKA kurz nach dem 7. Oktober eine Abbildung von Hitler mit dem Zusatz: »Ich könnte alle Juden töten, aber ich habe einige am Leben gelassen, um Euch zu zeigen, wieso ich sie getötet habe«.

Nach Zahlen der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern gab es zwischen 7. Oktober und 9. November 148 antisemitische Vorfälle in Bayern, eine Vervielfachung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Über 90 Prozent standen demnach in Zusammenhang mit den Gräueltaten der Hamas und des anschließenden israelischen Gegenangriffs im Gaza-Streifen.

»Seit dem 7. Oktober erleben auch Jüdinnen und Juden in Deutschland einen psychischen Terror«, sagte laut RIAS-Mitteilung Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Zu lange haben wir zugelassen, dass Antisemitismus über rechtsextreme Kreise, über eine linksradikale Dämonisierung Israels oder islamistische Fanatiker bis in die Mitte unserer Gesellschaft vordringt.«

Seit Corona nehmen antisemitische Äußerungen zu

»Der terroristische Angriff der Hamas gegen Israel hat auch Auswirkungen auf ihr Leben in Deutschland«, sagte Michael Weinzierl, der Beauftragte der bayerischen Polizei gegen Hasskriminalität. »Obwohl es seitdem eine neue Welle des Antisemitismus auch auf Bayerns Straßen gibt, dürfen die bereits begangenen Straftaten nicht in den Hintergrund treten.«

Denn die Entwicklung sei nicht neu, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Seit der Corona-Zeit nähmen antisemitische Äußerungen in Deutschland zu. Darum »wollen wir sowohl als Justiz als auch als Polizei ein klares Zeichen setzen und strafbaren Antisemitismus auch mit diesem besonderen Tag verfolgen«, betonte er.

»Letztlich ist Antisemitismus leider sehr breit verankert in der Gesellschaft«, sagte Weinzierl. Ein Schwerpunkt liege dabei im rechten Spektrum. »Aber auch der Nahostkonflikt zeigt, dass auch in anderen Strukturen, religiös ideologisiert, Straftaten begangen werden.«

Antisemitismus zieht sich durch alle Ideologien und Nationalitäten

Wie in keinem anderen Bereich der Hasskriminalität ziehe Antisemitismus sich durch alle Ideologien und Nationalitäten. »Und da spielt natürlich auch nicht nur der Antisemitismus von deutschen Staatsbürgern eine Rolle. Wobei man auch sagen muss, die überwiegende Zahl, weit über 90 Prozent, sind Deutsche, die antisemitische Straftaten begehen.«

Es sei wichtig, Jüdinnen und Juden und Israelis zu zeigen, »dass wir hier in Bayern hinter ihnen stehen, dass wir sie hier schützen und auch vor Anfeindungen schützen«, betonte Weinzierl. Der Schwerpunkt der Aktion liege bei der Verfolgung strafbarer Online-Aktivitäten, aber auch strafbaren Äußerungen bei Demonstrationen.

Seit dem Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober kommt es auch auf deutschen Straßen immer wieder zu Demonstrationen von Palästinensern und Unterstützern, bei denen einige Teilnehmer die islamistische Hamas bejubelten.

»Mit diesem Aktionstag schaffen wir Bewusstsein bei jüdischen Bürgerinnen und Bürgern dafür, dass wir es ernst meinen mit der Bekämpfung judenfeindlicher Straftaten«, sagte der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, Andreas Franck.

Der geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, sagte, für Holocaust-Überlebende sei die Welle antisemitischer Hetze und Gewalt im Internet eine mehr als bedrohliche Entwicklung. »Gerade deshalb sind sie für die heutigen Aktionen der bayerischen Polizei äußerst dankbar: Es ist wichtig, wenn in diesen Tagen der demokratische Staat antisemitischem Hass die rote Karte zeigt und dies auch demonstrativ durch polizeiliche Aktionen deutlich macht.« Die Razzia lasse erkennen, »wie sich mittlerweile alte und neue Nazis gemeinsam mit muslimischen Extremisten hinter diesem Haß versammeln«.

© dpa-infocom, dpa:231121-99-22867/8