Brüssel (dpa) - Deutschland belegt wegen der Tötung des regierungskritischen saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi 18 saudische Staatsangehörige mit Einreiseverboten und stoppt Rüstungslieferungen komplett.
Das Wirtschaftsministerium gab am Montag bekannt, dass auch keine Waffen oder andere Rüstungsgüter mehr nach Saudi-Arabien ausgeliefert würden, deren Export bereits genehmigt wurde. Bisher hatte die Bundesregierung lediglich von neuen Exportgenehmigungen abgesehen und angekündigt, den Umgang mit bereits erteilten Genehmigungen zu prüfen. Diese Prüfung ist nun offensichtlich weitgehend abgeschlossen.
Die Betroffenen der Einreisesperren stünden mutmaßlich in Verbindung zu der Tat, sagte Außenminister Heiko Maas am Montag am Rande eines EU-Treffens in Brüssel. Der Schritt sei mit Großbritannien und Frankreich abgestimmt. Bei den betroffenen Personen handelt es sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes um das mutmaßliche 15-köpfige Mordkommando sowie um drei weitere Personen, die im Verdacht stehen, an der Organisation mitbeteiligt gewesen zu sein. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman gehört allerdings nicht dazu.
Mit den Einreiseverboten und dem Stopp von Rüstungsexporten reagiert die Bundesregierung wie die USA auf die bislang vorliegenden Ermittlungsergebnisse zu dem Fall. Demnach war der im US-Exil lebende Khashoggi am 2. Oktober im Konsulat seines Heimatlandes Saudi-Arabien in Istanbul umgebracht worden. Er hatte dort Dokumente für seine Hochzeit mit einer Türkin abholen wollen. Unter immensem internationalem Druck gab Riad erst viel später den Tod des »Washington-Post«-Kolumnisten zu.
Die Staatsanwaltschaft in Saudi-Arabien beschuldigt hochrangige Regierungsmitarbeiter, eigenmächtig ein 15-köpfiges Spezialteam zur Ausführung der Tat geschickt zu haben. Riads Generalstaatsanwalt hatte zuletzt für fünf Beteiligte die Todesstrafe gefordert - angeklagt würden elf. Auch der saudische Kronprinz könnte nach Medienberichten in den Fall verwickelt sein.
US-Medien berichteten, dass der Auslandsgeheimdienst CIA zu der Einschätzung gelangt sei, dass der Thronfolger Mohammed bin Salman selbst die Tötung des Journalisten und Regierungskritikers im Konsulat in Istanbul angeordnet habe. Dies sei das Ergebnis der Auswertung mehrerer Quellen, schrieb die »Washington Post«. Das Außenministerium in Washington stellte am Samstag aber klar, dass keine abschließende Bewertung im Fall Khashoggi getroffen worden sei.
Bislang hat die US-Regierung Strafen gegen 17 ehemalige saudische Regierungsmitarbeiter verhängt, aber nicht gegen den Thronfolger.
Vor allem dürfte der Stopp aller Rüstungsexporte die Wolgaster Lürssen-Werft treffen, die noch 20 Patrouillenboote nach Saudi-Arabien liefern möchte. Nach dpa-Informationen sind zwei der Boote fertig und ihre Ausfuhr genehmigt. Der Bau von acht weiteren Schiffen hat auf der Werft in Mecklenburg-Vorpommern bereits begonnen. An dem Auftrag hängen 300 Arbeitsplätze.
Wie viele bereits genehmigte Exporte betroffen sind, ist nicht bekannt, ebenso unklar ist wie lange der Exportstopp gelten wird. Die Bundesregierung hatte angekündigt, auch andere EU-Staaten von einem solchen Schritt überzeugen zu wollen - bisher ohne Erfolg. Der französische Präsident Emmanuel Macron wies den deutschen Vorstoß schroff zurück.
Der saudische König Salman erwähnte den Fall Khashoggi im Beisein seines Sohnes und Kronprinzen am Montag nicht, als er vor dem Schura-Rat in Riad sprach. Der schwer kranke und gebrechliche 82-Jährige gilt als einziger Akteur in Saudi-Arabien, der die Macht seines einflussreichen Sohnes und Thronfolgers einschränken könnte. Ob das angesichts der Kräfteverhältnisse im Palast praktisch noch möglich wäre, ist ungewiss.
Wie sich die anderen EU-Staaten positionieren blieb zunächst unklar. Maas sagte dazu: »Wir sind innerhalb der Europäischen Union in dieser Frage insgesamt in einer engen Abstimmung.« Großbritannien hatte bereits im Oktober angekündigt, in den Mord verwickelten Personen künftig die Einreise zu verweigern.
Um die Einreisesperren zu verhängen, müssen deutsche Behörden die Namen der betroffenen 18 Personen in das Informationssystem der 26 europäischen Schengen-Staaten einpflegen. Damit können diese dann kein Schengen-Visum mehr erhalten. Theoretisch dürften Mitgliedstaaten noch nationale Visa ausstellen. Dass sie dies tun, gilt allerdings als unwahrscheinlich.