London/Edinburgh (dpa) - Weniger Pomp und teure Wahlversprechen: Die britische Königin Elizabeth II. hat zum zweiten Mal innerhalb von etwa zwei Monaten das Parlament in London wiedereröffnet.
Die 93-Jährige verlas die Regierungserklärung von Premier Boris Johnson vor den Parlamentariern beider Kammern im Oberhaus. Im Mittelpunkt der sogenannten Queen's Speech standen der für Ende Januar geplante Brexit und mehr Hilfe für den chronisch überlasteten Gesundheitsdienst NHS (National Health Service).
Der staatliche NHS wird zusätzlich mit 33,9 Milliarden Pfund (knapp 40 Milliarden Euro) pro Jahr bis 2024 unterstützt, wie es in der Erklärung hieß. Es handelt sich der Regierung zufolge um die größte Finanzspritze in der Geschichte des Gesundheitsdienstes. Geplant sind unter anderem der Bau und die Sanierung von Kliniken. Mehr Geld soll auch in den Schulbereich und in die Infrastruktur gepumpt werden. Die Opposition kritisierte sofort, dass dies alles nicht finanzierbar sei. Gleichzeitig versprach Johnson nämlich auch niedrigere Steuern.
Erst im Oktober hatte die Monarchin das Parlament nach einer von Johnson verordneten Zwangspause wiedereröffnet. Im Vergleich zu damals war die Zeremonie dieses Mal aber weniger pompös.
Statt mit einer Kutsche fuhr die Monarchin mit einem Auto die kurze Strecke zwischen dem Buckingham-Palast und dem Parlament. Anstelle von Hermelinmantel und Krone trug sie ein Kleid in Mint und einen gleichfarbigen Hut. Begleitet wurde sie von Thronfolger Prinz Charles (71). Es war die 66. Queen's Speech, die sie persönlich hielt. Sie las knappe zehn Minuten lang die Regierungserklärung vor, ohne Emotionen zu zeigen.
Seltsam wirkende Traditionen bei der Parlamentseröffnung gehen auf das 16. und 17. Jahrhundert zurück - zum Beispiel durchsuchen Wachen den Keller. Das geht auf einen vereitelten Anschlag von Katholiken auf den protestantischen König James I. 1605 zurück. Die Verschwörer wollten ihn bei der Zeremonie mit Schwarzpulver in die Luft jagen.
Premier Johnson und Labour-Chef Jeremy Corbyn gingen während der feierlichen Zeremonie zeitweise schweigend nebeneinander her. Sie würdigten sich kaum eines Blickes.
Der Premier wird am Freitag das Ratifizierungsgesetz für seinen Brexit-Deal ins Parlament einbringen, wie ein Regierungssprecher bestätigte. Die Zustimmung der Abgeordneten gilt als sicher. Johnsons Konservative haben seit der Neuwahl in der vergangenen Woche einen Vorsprung von 80 Sitzen auf alle anderen Parteien.
Johnson will das Land am 31. Januar aus der Europäischen Union führen. Eine Verlängerung der bis Ende 2020 vorgesehenen Übergangsphase soll per Gesetz ausgeschlossen werden. Bis dahin wollen London und Brüssel ein Abkommen über die künftigen Beziehungen aushandeln. Kritiker bezweifeln aber, ob der ambitionierte Zeitplan einzuhalten ist.
Ärger hat Johnson zunehmend mit Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon. Sie forderte in einem Brief an den Premier nun formell die Erlaubnis für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum ein. »Die Demokratie muss und wird siegen«, sagte Sturgeon in Edinburgh. Schottland wolle keine von Johnson geführte Tory-Regierung, die den Landesteil aus der EU führe. Ob eine Volksabstimmung stattfinden kann, entscheidet bisher die Zentralregierung in London. Johnson hatte Sturgeons Wunsch bereits wiederholt abgewiesen.
Rund 55 Prozent der Schotten hatten sich bei einem ersten Referendum im Jahr 2014 gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ausgesprochen. Sturgeon argumentiert jedoch, die Umstände hätten sich durch das Brexit-Referendum von 2016 verändert. Damals stimmte eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt. Die Schotten votierten aber mit 62 Prozent gegen den Brexit.