Der russische Präsident Wladimir Putin hat in einer ersten öffentlichen Reaktion auf die Angriffe der militanten Hamas gegen Israel den USA ein Scheitern im Nahen Osten vorgeworfen. »Das ist ein starkes Beispiel für das Scheitern der Politik der Vereinigten Staaten im Nahen Osten, die versucht haben, die Regulierung dort zu monopolisieren«, sagte Putin in Moskau zum Auftakt eines Treffens mit dem irakischen Ministerpräsidenten Mohammed al-Sudani.
Die USA hätten sich nicht um eine Suche nach Kompromissen gekümmert, die für beide Seiten annehmbar seien. Sie hätten vielmehr ihre eigenen Vorstellungen für eine Lösung des Konflikts vorangetrieben und Druck auf die Seiten ausgeübt. Washington habe dabei weder Rücksicht auf die Kerninteressen des palästinensischen Volkes genommen oder sich für die Umsetzung der UN-Resolution zur Schaffung eines souveränen unabhängigen Palästinenserstaates eingesetzt.
Putin, der selbst einen zerstörerischen Krieg gegen die Ukraine führt, rief die Konfliktparteien im Nahen Osten zur Rücksicht auf die Zivilbevölkerung auf. Die Zahl der Opfer unter den Zivilisten müsse möglichst auf Null sinken, sagte der Kremlchef, dem Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.
Al-Sudani: »Internationale Gemeinschaft hat geschwiegen«
Bei dem Treffen sagte al-Sudani laut russischer Übersetzung, dass die Eskalation im Nahen Osten zur Auslöschung des Gazastreifens führen werde. Israel hat angekündigt, die radikalislamische Hamas in Gaza zu vernichten.
»Es gibt jetzt eine schwierige und gefährliche Entwicklung der Ereignisse in Palästina«, sagte al-Sudani. »Das ist das natürliche Ergebnis dessen, dass Israel immer wieder die Rechte der Palästinenser verletzt hat. Die internationale Gemeinschaft hat geschwiegen, konnte nicht ihre Verpflichtungen im Rahmen der international anerkannten Resolutionen erfüllen.«
Die russische Führung unterhält Kontakte zu beiden Konfliktseiten und hatte Unterstützung bei der Lösung des Konflikts angeboten. Am Abend berichtete der Kreml zudem von einem Telefonat Putins mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, bei dem sich beide für eine baldige Waffenruhe im Nahen Osten ausgesprochen hätten.
Abbas in Moskau erwartet
Russland erwartet auch einen Besuch des Präsidenten Autonomiebehörde im Westjordanland, Mahmud Abbas, in Moskau. Die Visite sei schon länger geplant gewesen, über die diplomatischen Kanäle müsse nun das genaue Datum festgelegt werden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Zuvor hatte der palästinensische Botschafter in Moskau russische Medien über den Besuch informiert.
»Natürlich setzen wir den Kontakt mit den Palästinensern fort«, sagte Peskow. Die Verbindungen seien historisch und auf vielen Ebenen etabliert. Auch zu Israel gebe es Kontakte, Russland sei bereit, bei der Lösung des Konflikts zu helfen, betonte der Kremlsprecher. In Israel lebe eine große Zahl Russen, weshalb es die Verbindungen zu dem Staat gebe. Bilaterale Gespräche zwischen Vertretern Israels und der Abbas-Regierung beim Treffen in Moskau schloss der palästinensische Botschafter jedoch am Vortag kategorisch aus.
Palästinenserpräsident Abbas leitet die Fatah-Fraktion innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Zuletzt bezeichnete er Israels Regierung bei der UN-Generaldebatte in September als »rassistisch«. Im Gazastreifen gilt der Einfluss der Fatah unter Abbas als gering, seit die radikalislamische Hamas sie 2007 in blutigen Machtkämpfen aus der Region vertrieb.
Verbindungen zu Hamas
Russland hat nach Angaben des Außenministeriums in Moskau auch Kontakte zur Hamas, die von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft wird. So führte etwa der Nahost-Beauftragte des Kreml, Vizeaußenminister Michail Bogdanow, mehrfach in diesem Jahr Gespräche mit Hamas-Vertretern - am Telefon und bei persönlichen Begegnungen.
Hamas-Terroristen hatten Israel am Wochenende angegriffen und Hunderte Menschen getötet. Israel rief danach den Kriegszustand aus.
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