Das Auswärtige Amt hat eine prorussische Desinformationskampagne auf der Plattform X aufgedeckt. 50.000 gefälschte Nutzerkonten versuchten dabei, in deutscher Sprache Unmut über die Bundesregierung zu schüren und die Unterstützung für die Ukraine zu unterminieren, wie aus der entsprechenden Analyse von Experten des Ministeriums hervorgeht. Sie bezieht sich auf den Zeitraum vom 20. Dezember bis 20. Januar und liegt dem Magazin »Der Spiegel« vor.
In dieser Zeit wurden demnach mehr als eine Million deutschsprachige Posts abgesetzt. Häufig tauchte darin der Vorwurf auf, die Bundesregierung vernachlässige die eigene Bevölkerung, um die Ukraine zu unterstützen: »Ich finde es enttäuschend, dass die Regierung mehr für andere Länder tut als für die eigenen Bürger«, lautete eine der meistverbreiteten Kurzmitteilungen.
Die Fake-Accounts verlinkten der Analyse zufolge gerne auf gefälschte Internetseiten, die denen bekannter Medien ähnelten und Falschnachrichten verbreiteten, etwa dass die Ukraine bald vor der Niederlage stehe. Nur an Wochenenden und an russischen Feiertagen verstummte demnach das verbale Trommelfeuer.
Die Analysten rechnen laut dem Bericht die aktuelle Angriffswelle der sogenannten Doppelgänger-Kampagne zu, die 2022 bekannt wurde und auch auf andere europäische Länder zielt. Einiges deutet demnach darauf hin, dass ein großer Teil der Kampagne automatisiert funktioniert und durch Algorithmen gesteuert wird.
»Desinformation ist zu einem globalen Bedrohungsfaktor geworden«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts dem »Spiegel«. »Sie wird von denjenigen, die unsere Werte nicht teilen, gezielt eingesetzt, um ganze Gesellschaften zu destabilisieren - nicht nur in westlichen Demokratien, sondern überall.«
Task Force gegen Desinformation
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte am Freitag in Berlin, die Regierung betreibe eine Arbeitsgruppe zu hybrider Bedrohung. Das Innenministerium leite zudem eine Task Force gegen Desinformation.
Im Mittelpunkt stünden Maßnahmen, »um russische Narrative zu identifizieren, proaktive transparente und auf Fakten basierte Kommunikation zu stärken«. Die Bundesregierung baue ihre Fähigkeit »zur Erkennung, Analyse und auch Abwehr hybrider Bedrohungen weiter aus«. Auch die EU habe ihre Instrumente zur Abwehr von Desinformation weiterentwickelt.
Die Taskforce, in der ein Austausch zwischen den Ressorts der Bundesregierung stattfinde, sei nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 relativ schnell etabliert worden, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie fügte hinzu: »Ich glaube, wo wir noch schneller und besser werden müssen, ist im Netz auch transparent zu machen, woher einzelne Hassbotschaften und Falschnachrichten stammen oder auch aufzuzeigen, dass es sich um manipulierte Nachrichten handelt oder maschinell hergestellte.« Daran werde momentan gearbeitet.
Union warnt vor Vernachlässigung des Zivilschutzes
Gestern waren in Berlin Pläne der Bundeswehr für einen neuen »Operationsplan Deutschland« (OPLAN) vorgestellt worden. Er soll festlegen, wie im Spannungs- und Verteidigungsfall gemeinsam vorgegangen werden soll. Dazu gehört auch eine bessere Vernetzung zu Sicherheitsbehörden, Katastrophenschutzorganisationen und Industrieunternehmen. Für Katastrophenschutz tragen in Deutschland die Länder die Verantwortung. Um den Zivilschutz - also den Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall - muss sich der Bund kümmern.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sprach sich unterdessen für neue Mittel im Kampf gegen Desinformationen aus. »Prüfenswert wäre zum Beispiel eine Desinformations-Warn-App, die ähnlich der Nina-Warn-App des Bundes, die Bürgerinnen und Bürger vor Desinformation warnt«, sagte Kiesewetter dem »Handelsblatt«. Zudem seien Internetkompetenz und mehr digitale Bildung notwendig.
Die Vizefraktionsvorsitzende der Union, Andrea Lindholz (CSU), warnte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur davor, Zivilschutz-Planungen allein der Bundeswehr zu überlassen. Bei einem Symposium zum OPLAN hatte Sachsens Innenminister, Armin Schuster (CDU), dazu aufgerufen, sich auch mit Planspielen auf hybride Angriffsszenarien vorzubereiten. Es dürfe nicht sein, dass etwa bei einem Szenario mit Cyberangriffen, Desinformation und Terrorangriffen erst geschaut werden müsse, wer dahinter stecke, um festzustellen, ob die Bundeswehr oder eine andere Stelle zuständig sei.
© dpa-infocom, dpa:240126-99-760575/4