Logo
Aktuell Ausland

Premier Truss feuert Finanzminister - und wankt selbst

Die nächste Kehrtwende der britischen Regierung wird mit einem Paukenschlag eingeleitet: Finanzminister Kwarteng ist sein Amt los. Doch nur wenige glauben, dass Truss ihren Posten damit retten kann.

Liz Truss
Die britische Premierministerin Liz Truss spricht während einer Pressekonferenz in der Downing Street. Nach der Entlassung ihres Finanzministers Kwarteng lehnte sie es ab, selbst zurückzutreten. Foto: Daniel Leal
Die britische Premierministerin Liz Truss spricht während einer Pressekonferenz in der Downing Street. Nach der Entlassung ihres Finanzministers Kwarteng lehnte sie es ab, selbst zurückzutreten.
Foto: Daniel Leal

Nur knapp sechs Wochen nach Amtsantritt der britischen Premierministerin Liz Truss steckt die Regierung in London in einer handfesten Krise. Truss entließ am Freitag ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng und vollzog zugleich eine steuerpolitische Kehrtwende. Sie reagierte damit auf heftige Verwerfungen an den Finanzmärkten, die ihre Regierung durch die Ankündigung massiver Steuererleichterungen zuvor selbst ausgelöst hatte. Einen Rücktritt lehnte die Premierministerin jedoch ab. Zum neuen Schatzkanzler berief sie den früheren Gesundheits- und Außenminister Jeremy Hunt.

Es sei klar, dass Teile ihres sogenannten Mini-Budgets »weitergehend und schneller« waren, als die Märkte erwartet hatten, sagte Truss bei einer Pressekonferenz in London. Sie fügte hinzu: »Wir müssen jetzt handeln, um die Märkte von unserer fiskalischen Disziplin zu überzeugen.« Die Unternehmensteuer solle nun - wie von der Vorgängerregierung vorgesehen - doch erhöht werden, sagte Truss.

Die Regierungschefin beharrte darauf, dass ihre Politik niedrigerer Steuern und hoher Investitionsanreize richtig sei. Lediglich der Markt, den die Entscheidungen für deutliche Steuersenkungen irritiert hätten, sei der Grund für die Kehrtwende, sagte Truss. Auch Kwarteng hatte die Pläne grundsätzlich verteidigt. »Den Status quo beizubehalten, war keine Option«, schrieb er.

Schwere Verwerfungen an den Finanzmärkten

Die Regierungspläne für weitreichende Steuersenkungen, die mit neuen Schulden in Höhe von Dutzenden Milliarden Pfund gegenfinanziert werden sollen, hatten zu Verwerfungen an den Finanzmärkten und einem Kursrutsch des britischen Pfunds gegenüber dem US-Dollar geführt. Die Zentralbank sah sich zum Eingreifen gezwungen. Ein Anleihenkaufprogramm der Bank of England im Wert von 65 Milliarden Pfund sollte am Freitag auslaufen. Wegen der massiven Kritik hatten Truss und Kwarteng bereits die geplante Streichung des Spitzensteuersatzes wieder zurückgenommen.

Ob der Rauswurf Kwartengs, der weithin als Bauernopfer betrachtet wird, und die teilweise Kehrtwende ausreichen werden, um Truss im Amt zu halten, gilt als äußert fraglich. Die Märkte hatten am Freitag zunächst positiv auf die Berichte über die bevorstehende Kehrtwende reagiert. Doch der trotzige Auftritt von Truss bei der Pressekonferenz am Nachmittag zog Kritik auf sich. Britische Medien zitierten Tory-Abgeordnete mit Rücktrittsforderungen. Es gilt als möglich, dass Truss schon bald von der eigenen Partei gestürzt wird.

Folgt ein neuer Wechsel an der Spitze?

Im Raum steht nach »Times«-Informationen, dass führende Tories ein Führungs-Tandem aus den Spitzenpolitikern Rishi Sunak und Penny Mordaunt unterstützen, die Truss im Sommer im internen Ringen um den Parteivorsitz unterlegen waren.

Ein neuer Wechsel an der Spitze der Tory-Partei dürfte jedoch die Rufe nach einer baldigen Parlamentswahl verstärken. Für die Konservativen ist das eigentlich ein rotes Tuch, denn in Umfragen führt die oppositionelle Labour-Partei teils mit mehr als 30 Punkten Vorsprung. Wie das Meinungsforschungsinstitut Ipsos ermittelte, sind nur 16 Prozent der Briten mit Truss zufrieden - das sei der schlechteste Wert, der je für einen Premier gemessen worden sei.

Die Wirtschaftszeitschrift »Economist« kommentierte kürzlich, Truss habe »ihre eigene Regierung mit einem Paket aus ungedeckten Steuersenkungen und Energiepreisgarantien« gesprengt. »Nimmt man die zehn Tage der Trauer nach dem Tod von Königin Elizabeth II. weg, hatte sie sieben Tage die Kontrolle. Das entspricht in etwa der Haltbarkeit eines Salats«, schrieb das Blatt.

Tweet Dorries

»Times«-Bericht (Paywall)

»Economist«-Kommentar (Paywall)

Mitteilung Kwarteng

© dpa-infocom, dpa:221014-99-121784/12