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Präsidentenwahl in Taiwan: Tsai gewinnt, Peking verliert

Die Taiwaner wollen sich nicht von Peking einschüchtern lassen. Sie lehnen eine stärkere Annäherung an das diktatorische China ab. Doch Peking gibt sich kompromisslos - drohen jetzt neue Spannungen?

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen
Mit einem klaren Sieg für die chinakritische Präsidentin Tsai Ing-wen haben die Taiwaner der kommunistischen Führung in Peking eine Abfuhr erteilt. Foto: Chan Kwok Shing/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa
Mit einem klaren Sieg für die chinakritische Präsidentin Tsai Ing-wen haben die Taiwaner der kommunistischen Führung in Peking eine Abfuhr erteilt. Foto: Chan Kwok Shing/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa

Taipeh/Peking (dpa) - Mit der Wiederwahl der chinakritischen Präsidentin Tsai Ing-wen haben sich die Taiwaner erneut gegen eine Annäherung an China ausgesprochen.

Der klare Sieg der 63-Jährigen ist eine Abfuhr für die kommunistische Führung in Peking, die den Druck auf die freiheitliche und demokratische Inselrepublik verstärkt hatte. »Ich hoffe, die Ergebnisse der Wahl senden eindeutig das richtige Signal an Peking«, sagte Tsai Ing-wen am Samstag vor jubelnden Anhängern in Taipeh. Das demokratische Taiwan werde »gegenüber Drohungen und Einschüchterung nicht einknicken«.

Die Botschaft kam in Peking allerdings nicht an. Am Tag nach der Wahl bekräftigte die chinesische Führung nur ihren Machtanspruch auf die Insel. Was auch immer dort geschehe, könne nichts daran ändern, dass Taiwan ein Teil Chinas sei, sagte Außenamtssprecher Geng Shuang am Sonntag. »Die Taiwanfrage ist eine interne Angelegenheit Chinas.«

Auch wurde die Tatsache ignoriert, dass die Taiwaner nun schon zum zweiten Mal in Folge die Widersacherin Pekings gewählt haben. Trotzdem meinte die Staatsagentur Xinhua: »Diese vorübergehende Gegenströmung ist nur eine Blase in den Gezeiten der Geschichte.« Peking habe einen »vollen politischen Werkzeugkasten« und könne auch den »Wiedervereinigungsprozess« beschleunigen, hieß es sonst auch, was auf eine neue Verschärfung der Spannungen hindeuten könnte.

Der Streit um den Status Taiwans ist schon Jahrzehnte alt und geht auf den Bürgerkrieg in China zurück. Nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten waren die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang 1949 nach Taiwan geflüchtet, das bis Ende des Zweiten Weltkrieges unter japanischer Herrschaft gestanden hatte. Seit der Gründung der kommunistischen Volksrepublik ist Taiwan praktisch unabhängig, wird aber von Peking international isoliert. Wegen des Drucks aus Peking pflegen heute nur noch 15 meist kleinere Staaten diplomatische Beziehungen zu Taiwan, obwohl sein Reisepass überall anerkannt wird.

Das Votum für die Präsidentin, die auf Distanz zu Peking geht, ohne aber zu provozieren, war überraschend deutlich. Die 63 Jahre alte Juristin wurde mit 57 Prozent und der Rekordzahl von mehr als acht Millionen Stimmen für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Der von Peking bevorzugte Kandidat Han Kuo-yu von der oppositionellen Kuomintang, der für eine stärkere Annäherung an China eintrat, kam nur abgeschlagen auf 38 Prozent. Der dritte Kandidat, James Soong von der People-First-Partei, erreichte gerade einmal vier Prozent.

Im Parlament konnte die Fortschrittspartei (DPP) der Präsidentin mit 61 Abgeordneten ihre Mehrheit verteidigen, verlor aber sieben Sitze. Die Kuomintang gewann drei Sitze und kam auf 38 Abgeordnete. Der Rest in dem 113 Sitze zählenden Legislativrat verteilt sich auf kleinere Parteien. Die hohe Wahlbeteiligung von 74 Prozent (2016: 66 Prozent) deutet darauf hin, dass die 19 Millionen Wahlberechtigten besonders mobilisiert waren und bei dieser Wahl ein Zeichen setzen wollten.

Die Abstimmung wurde in Taiwan als Votum gegen Einschüchterung und Drohungen durch Peking gewertet, das schon seit dem Amtsantritt von Tsai Ing-wen vor vier Jahren die Beziehungen eingefroren hatte. Mit ihrer Wiederwahl lehnte die Mehrheit der Taiwaner außerdem den vor einem Jahr von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erneuerten Vorschlag ab, einen Anschluss an die Volksrepublik nach dem Hongkonger Autonomie-Modell »ein Land, zwei Systeme« zu verfolgen.

Der harte Kurs Pekings gegenüber den seit einem halben Jahr anhaltenden Demonstrationen für mehr Demokratie in der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion bestärkte die Taiwaner auch nur noch in ihrem Widerstand. »Heute Hongkong, morgen Taiwan«, wurde gewarnt. In diesem Klima gilt Präsidentin Tsai Ing-wen vielen Taiwanern als Garantin für Demokratie und Freiheit gegenüber einem immer offensiver auftretenden diktatorischen System in China.

Das Wahlergebnis zeigt auch, dass die konservativen Kräfte in Taiwan, die sich noch als Teil »eines Chinas« sehen, immer kleiner werden. Nach neuen Umfragen wollen 73 Prozent der Taiwaner selbst dann keinen Anschluss an China, »wenn es das gleiche Niveau an wirtschaftlicher und politischer Entwicklung wie in Taiwan erreicht hat«, wie der Forscher Wu Jieh-min von der Academica Sinica in Taipeh berichtete. Unter den 20- bis 34-Jährigen steigt die Zahl sogar auf 93 Prozent.

»Mit jeder Präsidentenwahl zeigt Taiwan der Welt, wie sehr wir unseren freien und demokratischen Lebensstil zu schätzen wissen«, sagte Tsai Ing-wen in ihrer Siegesrede. In einem Appell an die Weltgemeinschaft rief die Präsidentin zu mehr Anerkennung für die von China an den Rand gedrängte Inselrepublik auf. »Alle Länder sollten Taiwan als Partner, nicht als Problem betrachten.«

Als wichtigster Sicherheitspartner gehörten die USA zu den ersten Gratulanten. Unter US-Präsident Donald Trump, der wenig Rücksicht auf China nimmt und auch den direkten Kontakt zu Tsai Ing-wen nicht scheut, ist das Verhältnis so gut wie schon lange nicht. US-Außenminister Mike Pompeo schrieb ihr, die USA hofften, dass Taiwan unter ihrer Führung weiter als »ein leuchtendes Beispiel« für Länder diene, die nach Demokratie und Wohlstand strebten.

Xinhua-Kommentar

Außenministerium