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Polizei-Großaufgebot beendet Widerstand gegen Abschiebung

Zwei junge Männer sollen abgeschoben werden. Wie sich herausstellt, gehören sie zu einer afghanischen Familie, die Kirchenasyl bekommen hat. Sie wehrt sich gegen den Polizeizugriff, wird aber schließlich überwältigt.

Schwerin
Spezialkräfte der Polizei waren am Morgen mit Rammbock und Kettensäge angerückt. Foto: Bernd Wüstneck/DPA
Spezialkräfte der Polizei waren am Morgen mit Rammbock und Kettensäge angerückt.
Foto: Bernd Wüstneck/DPA

Mit einem Großaufgebot und Spezialkräften hat die Polizei in Schwerin den Widerstand gegen eine geplante Abschiebung beendet. Wie eine Polizeisprecherin sagte, hatte sich am frühen Mittwochmorgen eine sechsköpfige Familie in der Wohnung einer Kirchengemeinde verschanzt, als Polizisten die Abschiebung von zwei jungen Männern im Alter von 18 und 22 Jahren durchsetzen wollten. Der Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen. Erstmals in Mecklenburg-Vorpommern sei durch die Polizei ein Kirchenasyl gebrochen und somit eine rote Linie überschritten worden, hieß es in einer in Schwerin verbreiteten Mitteilung.

Nach etwa vierstündigen Bemühungen, mit der Familie im Gespräch zu bleiben und sie zum Öffnen der Tür zu bewegen, seien Einsatzkräfte schließlich »mit einfacher körperlicher Gewalt« in die Wohnung eingedrungen, sagte die Polizeisprecherin. Dabei sei festgestellt worden, dass sich der 22-Jährige vermutlich mit einer Glasscherbe verletzt hatte. Die Mutter habe sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden. Beide wurden mit einem bereitstehenden Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

»Bei der Durchsuchung aller Personen wurden bei der Mutter, dem 22-jährigen Sohn und der Tochter Messer versteckt am Körper gefunden«, teilte die Polizei nach Abschluss der Aktion weiter mit. Gegen die 47-jährige Mutter sei ein Strafverfahren wegen Bedrohung und Nötigung eingeleitet worden. Weitere Personen oder Einsatzkräfte seien bei dem Einsatz nicht verletzt worden. Für Außenstehende habe zu keiner Zeit eine Gefahr bestanden. Spezialkräfte der Polizei waren am Morgen mit Rammbock und Kettensäge angerückt. Doch seien die Gerätschaften nicht zum Einsatz gekommen, hieß es.

Männer sollten nach Spanien gebracht werden

Nach Angaben eines Sprechers der Nordkirche handelte es sich um eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan, deren zwei erwachsene Söhne abgeschoben werden sollten. Dies sei auf Anordnung der Ausländerbehörde in Kiel erfolgt. Beide sollten den Angaben zufolge nach Spanien gebracht werden. Dort waren sie in die EU eingereist. Laut Kirchensprecher hielt sich die Familie in einer Wohnung am Rande eines Schweriner Plattenbaugebietes auf, die von der dortigen Kirchgemeinde für Flüchtlinge bereitgestellt wird.

Die Polizei hatte zunächst von zwei irakischen Männern gesprochen, die abgeschoben werden sollten, korrigierte dies dann aber. Nach Behördenangaben gehören neben der Muter und den 22 und 18 Jahre alten Söhnen noch der 49-jährige Vater, eine 13-jährige Tochter und ein zehnjähriger Sohn zur Familie. Alle Personen besäßen die afghanische Staatsangehörigkeit.

Wie ein Anwohner berichtete, waren am Morgen zwei Funkstreifenwagen vor dem Gemeindehaus vorgefahren. Kurz darauf seien laute Schreie einer Frau zu gehören gewesen. Nach Darstellung der Polizei hatte sie versucht, die Abschiebung der beiden jungen Männer zu verhindern. Ob es noch im Tagesverlauf dazu kommen sollte, konnte die Polizeisprecherin zunächst noch nicht sagen.

Flüchtlingsrat übt Kritik

Der Flüchtlingsrat sprach von einem erschreckenden Signal an Geflüchtete. »Nicht einmal zu Weihnachten dürfen sie sich sicher fühlen. Dieses Signal richtet sich aber auch an Kirchengemeinden, die nun verunsichert sind, ob sie Geflüchteten weiterhin Zuflucht und Hoffnung bieten können«, hieß es in der Mitteilung weiter. Eine Sprecherin beklagte zudem, dass der Amtshilfe-Einsatz offenbar auf der Basis falscher Angaben erfolgt sei, da zunächst von Irakern die Rede gewesen sei.

Als Kirchenasyl wird die befristete Aufnahme von Flüchtlingen in kirchlichen Räumen bezeichnet, denen bei Abschiebung Gefahr für Leib und Leben oder die Verletzungen ihrer Menschenrechte droht. Solche Fälle gab es in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr häufiger als in der jüngsten Vergangenheit. Bis Ende November waren es landesweit 25 Menschen, wie die Nordkirche mitteilte. Ein höherer Wert sei zuletzt 2018 erreicht worden, als im Nordosten 51 Menschen Kirchenasyl gewährt wurde. 2022 seien es zehn gewesen, in den beiden Jahren davor 21 und sieben.

© dpa-infocom, dpa:231220-99-360374/9