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Pistorius im Niger - erstes Ministergespräch nach Putsch

Als erster deutscher Minister und ranghöchster Vertreter eines EU-Landes sucht Pistorius das Gespräch mit den Militärmachthabern im Niger und streckt die Hand zur Weiterführung von Projekten aus.

Niger
Boris Pistorius wird in Niamey von Salifou Modi, General der nigrischen Armee, begrüßt. Foto: Prawos/DPA
Boris Pistorius wird in Niamey von Salifou Modi, General der nigrischen Armee, begrüßt.
Foto: Prawos/DPA

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat der Militärregierung im sicherheitspolitisch wichtigen Niger eine Fortsetzung von Kooperationsprojekten angeboten. Dabei sei auch über den ausgesetzten Bau eines Militärkrankenhauses gesprochen worden, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in der Hauptstadt Niamey, wo er den nigrischen General und Verteidigungsminister Salifou Modi traf. Es war der erste Besuch eines deutschen Ministers nach dem Coup gegen die demokratisch gewählte Regierung vor knapp fünf Monaten, die inzwischen aber international Unterstützung verloren hat.

»Ich habe gesagt für die deutsche Seite, dass wir ein Interesse haben an der Wiederaufnahme von Kooperationsprojekten«, sagte Pistorius. Es habe ein offenes Gespräch gegeben. »Wir haben auch nach der Machtübernahme längst nicht mit allem aufgehört. Wir haben unseren Militärberater hier gelassen. Wir haben die Spezialkräfte in Niger gelassen. Wir haben die in der Ausbildung befindlichen nigrischen Soldaten bei uns gelassen. Wir haben nicht alle Brücken abgerissen, was gut und richtig ist«, sagte er. Wichtig sei, dass sich Deutschland und andere Partner in dieser Region engagieren.

Pistorius besuchte auch die noch mehr als 100 deutschen Soldaten auf dem Lufttransportstützpunkt der Bundeswehr am Rande der Stadt. Die Zukunft der Militärbasis ist unklar. Vor dem Putsch gab es Pläne, den Stützpunkt auszubauen. Er sollte für das humanitäre Engagement Deutschlands und das europäischer Partner genutzt werden und in der an Konflikten reichen Region Drehkreuz für militärisches Engagement sein - bis hin zu einer Rolle als Sprungbrett für Spezialkräfte.

Beziehungen mit Deutschland verschlechtert

Das Militär hatte am 26. Juli die Macht im Niger übernommen. Das Land galt zuvor als letzter demokratischer Partner Europas und der USA im Kampf gegen Terrorismus in der Sahelzone (»Stabilitätsanker«). Die Militärs hatten den von vielen Einwohnern der Hauptstadt öffentlich unterstützten Putsch mit der Sicherheitslage und schlechter Regierungsführung begründet. Der Putsch löste international scharfe Kritik bis hin zu Drohungen eines Militäreinsatzes der Nachbarstaaten aus. Mittlerweile etabliert sich die selbst ernannte Übergangsregierung unter dem früheren Chef der Präsidialgarde Abdourahamane Tiani international wieder als Gesprächspartner.

Die zuvor guten Beziehungen mit Deutschland verschlechterten sich seit dem Putsch. So steckt auf der nigrischen Seite der Grenze zu Mali nun ein Konvoi mit deutschen Militärgütern des beendeten UN-Einsatzes Minusma in der Zollabfertigung fest. In zwei Fällen wurden die Landtransporte von Extremisten oder bewaffneten Banden angegriffen, wie es am Dienstag hieß. Mit zwei Verbalnoten teilte der Niger Deutschland mit, dass der Abtransport von Militärmaterial und die Rückführung des deutschen Minusma-Kontingents aus Mali nach Deutschland nicht über Niger erfolgen dürfe.

Die Machthaber in Niamey - die eine Politik der offene Ablehnung gegen die früheren Kolonialmacht Frankreich betreiben - waren zuletzt auch auf Konfrontation zu anderen EU-Staaten gegangen: So soll die Schleusung irregulärer Migranten im Niger - ein wichtiges Thema für die EU - künftig straffrei bleiben. Die Militärjunta hob ein entsprechendes Gesetz auf, das Teil der Strategie Europas zur Eindämmung der Migration über das Mittelmeer war.

Zusammenarbeit beider Länder seit 1961

Der Niger ist eins der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die in Richtung Europa reisen. Die EU arbeitete mit dem Niger bereits seit 2015 zusammen, vor allem um die Migrationsroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.

Anfang Dezember hatten Burkina Faso und Niger wie zuvor Mali ihren Austritt aus der 2014 gegründeten Regionalorganisation G5 Sahel erklärt. Zeitgleich hatte der russische Vize-Verteidigungsminister Junus-bek Jewkurow die Staaten Mali, Burkina Faso und Niger besucht. Die drei von islamistischen Terrorgruppen heimgesuchten Nachbarstaaten hatten bereits zuvor die Gründung einer eigenen Militärallianz verkündet. Mit Modi hat Jewkurow ein Memorandum über eine Verteidigungszusammenarbeit unterzeichnet. Auch Mali und Burkina Faso arbeiten bereits mit Russland zusammen.

Modi, früher Militärattaché seines Landes in Deutschland, verwies am Dienstag auf die lange währende Zusammenarbeit mit Deutschland seit dem Jahr 1961. »Es gab Höhen und Tiefen und in den letzten fünf Jahren war die Zusammenarbeit sehr aktiv, vor allen Dingen im Bereich Kampf gegen den Terrorismus. Wir sehen weiterhin Projekte, die wichtig sind«, sagte Modi vor Journalisten. Die Zusammenarbeit mit ausländischen Truppen solle auf neue formelle Beine gestellt werden und immer abhängig sein von der nigrischen Beurteilung der Lage.

© dpa-infocom, dpa:231219-99-345747/3