Dem mutmaßlichen Urheber eines der größten US-Geheimdienstskandale drohen mehrere Jahre Haft. Der 21 Jahre alte Militärbeschäftigte namens Jack Teixeira wurde in Boston im Bundesstaat Massachusetts erstmals einem Richter vorgeführt.
Dem IT-Spezialisten der Nationalgarde werden unbefugte Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen und nationalen Verteidigungsinformationen zur Last gelegt. Im Falle einer Verurteilung könnte er für mehrere Jahre hinter Gitter kommen. Die Bundespolizei FBI hatte Teixeira am Donnerstag festgenommen.
Schon seit Wochen kursieren im Internet Dutzende Geheimdokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen, aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Teixeira steht im Verdacht, diese in einem geschlossen Chat-Raum veröffentlicht zu haben. Von dort aus verbreiteten sie sich in andere Bereiche des Internets, bis auch Behörden und Medien darauf aufmerksam wurden.
Leck begann im Dezember 2022
Der 21-Jährige soll eine Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord geleitet haben. Nach Gerichtsunterlagen, die am Freitag veröffentlicht wurden, teilte er die brisanten Informationen zunächst von Dezember vergangenen Jahres an als Abschriften mit der Gruppe. Seit Januar soll er auch Fotos von ausgedruckten Dokumenten hochgeladen haben.
Aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass die Ermittler ihm auch mithilfe von Rechnungen der Internetplattform mit eben jener Chat-Gruppe auf die Spur kamen. Teixeira hatte demnach durch seine Rolle als IT-Fachmann die offizielle Freigabe, streng geheime Regierungsunterlagen einzusehen. Der Fernsehsender CNN berichtete, der zuständige Richter habe in Anhörung verfügt, dass der 21-Jährige vorerst in Gewahrsam bleibe. Für Mittwoch sei eine weitere Anhörung angesetzt.
US-Medien hatten kurz vor Ostern erstmals über das Leck berichtet. Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben erst vor gut einer Woche von dem Datenleck, obwohl das Material da schon wochenlang im Netz umherging. Danach rotierte die Regierung, um Partner zu besänftigen - und vor allem, um die undichte Stelle zu finden. Die Regierung leitete Ermittlungen ein, die dann wenige Tage später zur Festnahme führten.
Biden ordnet besseren Schutz sensibler Informationen an
Für die US-Regierung sind nicht nur die Sicherheitslücke an sich und die Offenlegung des sensiblen Materials ein Problem, sondern auch die Außenwirkung auf internationaler Bühne: Es stellen sich Fragen, wie verlässlich die USA sind, wie gut sie ihre eigenen Geheimnisse und die ihrer Partner schützen und wie loyal sie Verbündeten gegenüber sind.
Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Mike Turner, beklagte, die Weitergabe wirke sich auch negativ auf die Beziehungen zu internationalen Partnern aus. Er schrieb auf Twitter, man versuche noch, herauszufinden, wie viel Verschlusssachen nach außen drangen und wie sich die Folgen abmildern ließen. Der Ausschuss werde auch untersuchen, warum dies »wochenlang unbemerkt blieb«.
Präsident Joe Biden wies Militär und Geheimdienste an, zusätzliche Maßnahmen zum Schutz sensibler Informationen zu ergreifen. Die Verbreitung von nationalen Verteidigungsinformationen solle weiter eingeschränkt werden. Verteidigungsminister Austin gab eine Untersuchung über den Zugang zu Geheimdienstinformationen innerhalb seines Ressorts in Auftrag. Auch Kontrollverfahren würden überprüft, um zu verhindern, »dass sich ein derartiger Vorfall wiederholt«. Jeder Angehörige des US-Militärs und Pentagon-Mitarbeiter mit Zugang zu Geheimdokumenten unterliege einer rechtlichen und moralischen Pflicht, diese zu schützen und verdächtige Aktivitäten zu melden.
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