Rom (dpa) - Papst Franziskus schafft im Kampf gegen Missbrauch in der katholischen Kirche das umstrittene »päpstliche Geheimnis« ab. Künftig dürfen somit Informationen aus Kirchenprozessen zu sexueller Gewalt gegen Kinder und zu Vertuschung der Taten an staatliche Behörden gehen.
Opfer und Kirchenrechtler sprachen am Dienstag von einer »überfälligen« Entscheidung und dem bedeutendsten Schritt seit dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan.
Zudem veröffentlichte der Vatikan eine Änderung beim Alter von Kindern, die Opfer von pornografischen Darstellungen werden: Bisher wurden Besitz und Verbreitung solcher Bilder als schwerste Straftaten gezählt, wenn die Kinder bis zu 14 Jahre alt waren. Nun wurde diese Altersgrenze auf 18 Jahre hochgesetzt.
Der Vatikan nannte die neuen Regelungen am Dienstag - dem 83. Geburtstag von Franziskus - bahnbrechend. »Meiner Meinung nach ist diese Entscheidung des Papstes epochal und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt«, sagte der Erzbischof von Malta, Charles Scicluna, einer der engsten Berater des Papstes beim Thema Missbrauch. Immer wieder habe es große Hindernisse bei der Aufklärung gegeben. »Das Opfer hatte keine Gelegenheit, zu wissen, was genau aus seiner Anzeige wurde, weil es ein «päpstliches Geheimnis» gab.« Die Zusammenarbeit mit dem Staat werde nun erleichtert. Bistümer können Akten an Strafverfolgungsbehörden weiterreichen. Für die Öffentlichkeit werden sie allerdings nicht einsehbar sein.
Bisher standen Opfer vor verschlossenen Türen. Keiner habe Einblicke in die kircheninternen Prozesse gehabt, erklärte Magnus Lux von der Laienbewegung Wir sind Kirche. Die jetzige Entscheidung habe eine große Tragweite.
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster sprach von einem »substanziell positiven« Schritt, der die Beweisaufnahme nun sehr erleichtere. Die Frage sei nun, wie es vor Ort umgesetzt wird. Bischöfe könnten sich aber nicht mehr so leicht hinter dem päpstlichen Geheimnis verstecken und versuchen, Aufklärung zu verhindern.
Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, nannte es einen richtigen Schritt im »langen Prozess der Kirche, der von vielen Seiten als notwendig angesehen wurde«.
Franziskus stand bei dem Thema stark unter Zugzwang. Auf dem Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan im Februar war mehr Transparenz eines der Hauptanliegen von Opfern gewesen. Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hatte damals darauf hingewiesen. Er ließ das Argument nicht gelten, dass ohne das Geheimnis der gute Ruf eines Priesters in Gefahr sei, der irrtümlich beschuldigt werde.
Unmittelbar nach dem Gipfeltreffen aller Bischöfe der Welt war die Kritik allerdings groß, dass der Vatikan mit Reformen immer noch zögerte. Die Kirche kam trotz der Null-Toleranz-Versprechen von Franziskus, und bereits von seinem Vorgänger Benedikt XVI., nicht aus der Krise. Schließlich wurde der massenhafte Missbrauch von Kindern über Jahrzehnte vertuscht und unter den Teppich gekehrt.
Der Chefredakteur der Vatikanmedien, Andrea Tornielli, sprach von einer »historischen Entscheidung« und einem Signal für die Zusammenarbeit mit der Justiz. Künftig könnten Akten zu Missbrauchsfällen, die in Vatikan-Einrichtungen oder diözesanen Archiven aufbewahrt werden, Ermittlungsrichtern der Länder, die sie anfordern, übermittelt werden.
Ist das nun der Durchbruch auf dem langen Leidensweg der Missbrauchsopfer? »Lange haben Betroffenenvertreter aus aller Welt gefordert, das päpstliche Geheimnis in Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch durch Priester aufzuheben«, sagte Matthias Katsch von der Opfervereinigung Eckiger Tisch. »Die Entscheidung des Vatikan ist also ein überfälliger Schritt.« Es sei nun wichtig, dass weitere Schritte zur Transparenz gemacht würden - »auch im Hinblick auf die tausenden von Missbrauchsakten, die in vatikanischen Kammern und Palästen lagern«. Die Akten müssten nun einer unabhängigen Aufarbeitung zugänglich gemacht werden.