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Papst lehnt Rücktritt von Kardinal Marx ab - Überwiegend positive Reaktionen

Die Ablehnung des Rücktrittsgesuchs von Kardinal Reinhard Marx aus Rom kam schnell. Was die Reaktion von Papst Franziskus bedeuten könnte, erklären Experten.

Kardinal Marx
Papst Franziskus hat den Rücktritt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, abgelehnt. Foto: Matthias Balk/dpa
Papst Franziskus hat den Rücktritt des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, abgelehnt. Foto: Matthias Balk/dpa

ROM. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht in der Ablehnung des Rücktrittsgesuchs von Münchens Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx einen Aufruf zu Reformen.

»Die Botschaft: Wir können vor der strukturellen Sünde und Schuld des sexuellen Missbrauchs nicht fliehen - sondern müssen ihr gemeinsam ins Auge schauen. Und: wir müssen Reformen anstoßen, das heißt Fleisch auf den Grill legen«, sagte der Direktor des Institutes für Kanonisches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster der Deutschen Presse-Agentur.

Papst Franziskus hatte den Rücktritt des Erzbischofs von München und Freising am Donnerstag überraschend schnell abgelehnt. »Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising«, schrieb das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem Brief an Marx, den der Heilige Stuhl veröffentlichte. »«Vorsätze» zur Änderung des Lebens zu machen, ohne «das Fleisch auf den Grill zu legen», führt zu nichts«, hieß es darin auch.

Der Brief an Marx sei »außergewöhnlich persönlich und klar«, sagte Schüller. »So bleibt Kardinal Marx Erzbischof und ein wichtiger Begleiter des Papstes«. Er werde nun im Amt als Sünder mit seinen Fehlern als Bischof von Trier und Erzbischof von München-Freising im Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch konfrontiert werden. »Das mag schmerzlich sein, aber der Papst erspart Marx nicht diesen Gang.«

Missbrauchsexperte: Müssen uns der Krise stellen

Missbrauchsexperte Pater Hans Zollner sieht in dem Brief des Pastes Botschaften an alle Bischöfe in der Welt. »Wir müssen uns der Krise stellen, ohne die Verbrechen der Vergangenheit zu verstecken«, sagte Zollner der Deutschen Presse-Agentur. Die Botschaft sei auch, dies ohne Angst vor individuellen und institutionellen Konsequenzen zu tun. Es brauche den Mut, einen persönlichen Preis zu zahlen, auch wenn er darin bestehen sollte, Spannungen auszuhalten, für die man keine persönliche Verantwortung trage.

Zollner ist Mitglied der 2014 eingerichteten Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen. Mit dem Schreiben reagierte Papst Franziskus auf das Rücktrittsangebot Marx', der damit weiter Erzbischof von München und Freising bleibt. »Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising«, hieß es darin.

»Brüderliche Rückenstärkung«

Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" sieht die schnelle Antwort aus Rom als »Brüderliche Rückenstärkung« für Kardinal Reinhard Marx. Der Brief sei auch eine Aufforderung an Marx, "sich hier in seinem Bistum und auf dem Reformkurs der katholischen Kirche in Deutschland auch weiterhin mit seiner Kraft und Kompetenz einzusetzen", sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner. "Es ist ein Zeichen, dass es mehr noch als eines personellen Wechsels eines strukturellen, mentalen und spirituellen Wechsels bedarf."

Der Papst mache deutlich, »dass die Kirche keinen Schritt nach vorne tun kann«, ohne »die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs in der Kirche und ihres Umgangs damit anzunehmen«, sagte Weisner.

Brief dokumentiert das hohe Ansehen von Marx

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, begrüßt die Entscheidung von Papst Franziskus ebenfalls. Er sei »froh, dass Kardinal Marx uns als starke Stimme erhalten bleibt«, sagte Sternberg der »Rheinischen Post«. Die Entscheidung aus Rom zeige, »dass die angebliche Unzufriedenheit über den Synodalen Weg in Deutschland der vielschichtigen Realität nicht entspricht.«

Die Reaktionen auf Marx' Rücktrittsangebot hätten gezeigt, »dass er ein sehr hohes Ansehen genießt und man den Ernst, wie er mit der extrem schwierigen Lage der katholischen Kirche in Deutschland umgeht, sehr gewürdigt hat«.

Ablehnung des Rücktrittsangebots nicht ohne Risiko

Der Theologe Daniel Bogner sieht in der Ablehnung des Rücktrittsgesuchs auch ein Risiko. »Wenn bei der baldigen Veröffentlichung des Münchner Berichts zum sexuellen Missbrauch herauskommt, dass auch Kardinal Marx Mitschuld trifft, wird es schwierig«, sagte der Professor für theologische Ethik an der Universität Freiburg in der Schweiz der Deutschen Presse-Agentur.

»Ein eventuell dann doch notwendiger Rücktritt würde auch den Papst belasten. Man wird dann fragen: Hat er die Hinweise auf die persönliche Schuld, von denen Marx ja selbst spricht, nicht ernst genug genommen? Dass Franziskus dieses Risiko sehenden Auges eingeht, zeigt, wie ernst es um die Kirche bestellt ist.«

»Der Papst signalisiert mit seiner Entscheidung: Er braucht Marx als reformpolitisches Schwergewicht in der gegenwärtigen Situation der Kirche dringend«, sagte Bogner. Marx habe nun »die volle Prokura, mit offenem Visier für Anliegen zu kämpfen, bei denen er bisher vielleicht doch eher diplomatisch verhalten agiert hat, weltkirchlich und innerhalb der deutschen Kirche«.

Den Rücktritt anzunehmen und dann »mühevoll nach einem einigermaßen adäquaten Nachfolger zu suchen«, hätte womöglich eine wenig kraftvolle Botschaft gesendet, sagte Bogner. Aber die Entscheidung sei nicht ohne Risiko.

Kritik an Papst-Entscheidung vom »Eckigen Tisch«

Mit der Ablehnung will sich Papst Franziskus nach Ansicht des Vereins »Eckiger Tisch« auch selbst schützen. »Marx zielte mit seiner Erklärung auf die Verantwortung aller Bischöfe, auch die des Bischofs von Rom, für das System aus Missbrauch und Vertuschung, das die Katholische Kirche weltweit prägt«, teilte der Verein mit. Der »Eckige Tisch« vertritt die Interessen von Betroffenen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen speziell im Kontext der Katholischen Kirche.

Franziskus moderiere diese erschütternde Einsicht jetzt einfach weg und entlaste damit auch sein eigenes Amt, hieß es weiter. Die Opfer-Vertreter kritisierten zudem, dass Franziskus die Verantwortung der Bischöfe an Machtmissbrauch und Vertuschung von Missbrauch relativiere. Sie forderten, dass Franziskus den Betroffenen wirklich zuhöre. Von dem radikalen Neuanfang, den das Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx andeutete, sei durch die Entscheidung des Oberhaupts der katholischen Kirche jetzt wenig geblieben.

Bischöfe in Deutschland wollen beraten

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, begrüßte die Entscheidung. »Bischof Bätzing ist erleichtert, dass Kardinal Marx weiter im Amt ist und freut sich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit«, sagte ein Sprecher. Die Bischöfe wollen nun über die Laage der Kirche in Deutschland beraten. »Der nächste Ständige Rat ist der Ort, wo die Bischöfe über die Gesamtlage der Kirche in Deutschland sprechen werden«, sagte ein Sprecher der DBK in Bonn.

Eine »Überzeugungsentscheidung« vom Papst

Die zeitnahe Reaktion von Papst Franziskus wertet Pater Bernd Hagenkord als eine »Überzeugungsentscheidung«. Mit »mach weiter, so wie Du es vorschlägst« habe das Oberhaupt der katholischen Kirche Marx den Rücken gestärkt, erklärte der Vatikan-Blogger und geistliche Begleiter des katholischen Reformprozesses Synodaler Weg der Deutschen Presse-Agentur. Es bleibe nun abzuwarten, welche Impulse die Entscheidung des Papstes auslöse.

Marx bleibe in jedem Fall im Amt. Der 67-Jährige müsse ohnehin in etwas mehr als sieben Jahren seinen Rücktritt einreichen, denn dann habe er die Altersgrenze für sein Amt als Erzbischof von München und Freising erreicht, erklärte Hagenkord weiter.

Nicht wieder zur Tagesordnung zurück

Marx selbst hat die schnelle Antwort des Papstes nach eigenen Angaben überrascht. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so schnell reagieren würde und auch seine Entscheidung, dass ich meinen Dienst als Erzbischof von München und Freising weiter fortführen soll, habe ich so nicht erwartet«, hieß es in einer Stellungnahme, die das Erzbistum verbreitete. »Im Gehorsam akzeptiere ich seine Entscheidung, so wie ich es ihm versprochen habe.«

Er empfinde die Entscheidung des Papstes allerdings »als große Herausforderung«, sagte Marx, der wegen des Missbrauchsskandals in der Kirche zurücktreten wollte, laut Mitteilung. »Danach einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, kann nicht der Weg für mich und auch nicht für das Erzbistum sein.« (dpa)

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