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Nobelpreisträger soll Bangladesch übergangsweise regieren

Nach den Massendemonstrationen in Bangladesch soll der Vater der Mikrokredite das Ruder übernehmen: Kommt das Land nach den blutigen Protesten jetzt zur Ruhe?

Muhammad Yunus
Yunus gilt als Vater der Mikrokredite. (Archivbild) Foto: Habibur Rahman/DPA
Yunus gilt als Vater der Mikrokredite. (Archivbild)
Foto: Habibur Rahman/DPA

Nach dem Rücktritt der autoritären Ministerpräsidentin Sheikh Hasina soll Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine Übergangsregierung in Bangladesch anführen. Der Erfinder der Mikrokredite werde bis zu Neuwahlen im Amt bleiben, bestätigte das Büro von Präsident Mohammed Shahabuddin der Deutschen Presse-Agentur. Der 84-Jährige sei dazu bereit, die Amtsgeschäfte vorübergehend zu übernehmen, sagte eine Sprecherin von Yunus dem Radiosender BBC Bangla. 

Die Entscheidung für Yunus sei bei einem Treffen des Präsidenten mit Vertretern der Protestbewegung und des Militärs getroffen worden, hieß es. Die Streitkräfte hatten Beobachtern zufolge zuletzt de facto die Macht in dem südasiatischen Land inne. Einer der Hauptorganisatoren der Proteste, Nahid Islam, sagte, die Demonstranten begrüßten, dass die Wahl auf Yunus gefallen sei.

Banker der Armen

Yunus ist als Banker der Armen bekannt. Mit seiner Grameen-Bank vergab er kleine Darlehen an arme Menschen, die keine normalen Bankkredite erhalten hätten, damit sie sich selbstständig machen konnten. Nach seiner Überzeugung konnten sich die Menschen so selbst aus ihrer Not befreien. Überall auf der Welt fand er Nachahmer: Als Yunus im Jahr 2006 zusammen mit der Grameen-Bank den Friedensnobelpreis erhielt, gab es Kleinkreditgeber in mehr als 100 Ländern. 

Yunus war bereits einmal politisch aktiv: Im Jahr 1996 diente er zwei Monate lang als Minister in einem Übergangskabinett. 2007 gründete er seine eigene Partei »Macht der Bürger«. Nach einem Streit mit Hasina wurde er schließlich als Direktor der Grameen-Bank abgesetzt. Offizieller Grund: sein Alter. Allerdings warf Hasina Yunus auch vor, den Armen mit seinen Mikrokredit-Zinsen »das Blut auszusaugen«. Hinzu kam vermehrt Kritik aus dem Ausland, Mikrokredite seien nicht das richtige Werkzeug, um Armut zu bekämpfen. 

Hasina lässt Proteste brutal niederschlagen

Auch bei den jüngsten Massenprotesten in dem Land mit 170 Millionen Einwohnern spielte Armut eine wichtige Rolle. Trotz eines wirtschaftlichen Aufschwungs unter der Ex-Regierungschefin Hasina haben viele Menschen Mühe, über die Runden zu kommen. Auch die Arbeitslosigkeit ist hoch. Aufgrund einer geplanten und inzwischen weitgehend zurückgenommenen Wiedereinführung einer kontroversen Quotenregelung fürchteten viele Demonstranten, dass der Zugang zu begehrten Jobs im öffentlichen Dienst in Gefahr sei.

Anstatt auf die Bedenken einzugehen, versuchte Hasina, die Proteste mit aller Härte niederzuschlagen. Sie ordnete Ausgangssperren an, blockierte zeitweise das Internet und ließ Polizei und Militär aufmarschieren. Daraufhin weiteten sich die Proteste immer weiter aus und die Demonstranten forderten Hasinas Rücktritt. Örtlichen Medienberichten zufolge kamen bei den Protesten mehr als 300 Menschen ums Leben. 

Chance für Demokratie?

Hasina war in den vergangenen 15 Jahre ununterbrochen Regierungschefin. Menschenrechtsorganisationen warfen ihr vor, gezielt gegen Kritiker vorgegangen zu sein. In ihrer Amtszeit wurden Tausende verhaftet - auch während der jüngsten Proteste. Der künftige Regierungschef Yunus wurde in diesem Jahr von einem Gericht zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er mit dem gemeinnützigen Teil einer seiner Firmen das Arbeitsrecht verletzt haben soll. Seine Anhänger kritisierten das Urteil als politisch motiviert. Schließlich musste er die Haft nicht antreten.

»Ein Grund für die breite Unterstützung der Protestbewegung ist die Tatsache, dass das Land seit 15 Jahren keine Wahlen mit echter Konkurrenz gesehen hat«, sagte der Bangladesch-Experte Thomas Kean von der regierungsunabhängigen Crisis Group der Deutschen Presse-Agentur. Die jetzige Krise sei eine Möglichkeit, das Land wieder in Richtung echte Demokratie zu führen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© dpa-infocom, dpa:240806-930-196142/1