Berlin (dpa) - Nach seiner Wahl zum neuen Unionsfraktionschef bemüht sich Ralph Brinkhaus, den Schaden für Kanzlerin Angela Merkel kleinzureden. Zwischen ihm und seinem Vorgänger Volker Kauder - Merkels Favoriten - gebe es »keinen großen Unterschied«, sagte er am Dienstag im »heute journal« des ZDF.
»Deswegen ist das auch kein großes Drama.« Die Unionsfraktion hatte Kauder nach 13 Jahren im Amt gegen den Willen Merkels gestürzt. Brinkhaus gewann mit 125 zu 112 Stimmen überraschend die Kampfabstimmung, zwei Abgeordnete enthielten sich. Mit Blick auf die Kanzlerin sagte Brinkhaus: »Ich habe den Willen, sie zu unterstützen, die Regierung stark zu machen.«
Er sehe Merkel nicht beschädigt: »Nein, überhaupt nicht.« Es sei »total anständig, freundschaftlich und loyal«, dass Merkel Kauder unterstützt habe. Zur Forderung, sie solle nun die Vertrauensfrage stellen, sagte Brinkhaus, das sei »Blödsinn«. FDP-Chef Christian Lindner hatte Merkel diesen Schritt nahegelegt. »Eine instabile Regierung, die nur mit sich selbst streitet und keine Richtung vorgibt, hat das Land nicht verdient«, sagte Lindner am Dienstag. »Deshalb empfehle ich Frau Merkel, die Vertrauensfrage zu stellen. Dadurch kann sie entweder die Stabilität wiederherstellen oder die Führung an andere abgeben. Andere Bundeskanzler vor ihr haben dieses Instrument auch genutzt.«
CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sieht Merkel durch die Wachablösung an der Spitze der Unionsfraktion eher gestärkt als geschwächt, wie er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte. Die Kanzlerin habe jetzt die Chance, »diese Zeit der Wachablösung, des Übergangs in die Zukunft« aktiv zu moderieren, zu managen. Die CDU/CSU müsse 2020 eine hervorragende Aufstellung haben für das Wahlkampfjahr 2021. Der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten« sagte Schuster: »Ich erwarte von der Kanzlerin, dass sie uns beim Parteitag sagt, wie sie den Übergang bis 2020 hin zu einem neuen Kanzlerkandidaten managen will.« Der CDU-Bundesparteitag findet im Dezember in Hamburg statt.
Aus Sicht von CDU-Bundesvize Armin Laschet muss sich Brinkhaus vor allem um den Zusammenhalt von CDU und CSU kümmern. »Wichtig wird sein, CDU und CSU zusammenzuhalten in schwierigen Zeiten«, erklärte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in Düsseldorf. Laschet hatte sich vorher für Kauder stark gemacht, obwohl Brinkhaus aus Nordrhein-Westfalen kommt. Ende August hatte er erklärt: »Es gibt keine Notwendigkeit, Kauder abzulösen.«
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer gratulierte Brinkhaus. »Ich bin mir sicher, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch mit Ralph Brinkhaus an der Spitze die Kraft im Deutschen Bundestag ist, die sich dem eigenen Gestaltungswillen und den Interessen unseres Landes verpflichtet weiß«, erklärte sie. »Partei, Fraktion und Regierung arbeiten gemeinsam für gute Lösungen zu den Themen, die den Menschen in Deutschland am Herzen liegen.«
Brinkhaus sagte im ZDF: »Wir haben uns im Koalitionsvertrag viel vorgenommen und das wollen wir gerne auch abarbeiten. Wir wollen auch liefern.« Großes Thema sei der Zusammenhalt der Gesellschaft. »Da ist in den letzten drei Jahren sehr, sehr viel kaputtgegangen und dementsprechend müssen wir wieder in den Dialog kommen mit den Menschen, die wir als Protestwählerinnen und -wähler verloren haben.«
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir sprach dem Koalitionspartner CDU/CSU dagegen die Regierungsfähigkeit ab. »Die Union ist nicht mehr regierungsfähig«, sagte Özdemir der »Rheinischen Post«. »Angela Merkel hat einmal mehr massiv an Autorität eingebüßt.«
Politologe Jürgen Falter wertet die Abwahl Volker Kauders als Ausdruck einer tief sitzenden Unzufriedenheit in der Unionsfraktion. »Es ist ja auch für eine Regierungsfraktion auf Dauer geradezu frustrierend, immer nur der Vollziehungsgehilfe des Bundeskanzleramtes und einer übermächtigen Parteivorsitzenden zu sein«, sagte er der »Heilbronner Stimme« (Mittwoch). »Das dürfte schon ein wenig Merkel-Dämmerung sein, was wir hier bemerken.«
Für den Politologen Oskar Niedermayer ist die Abwahl Kauders ein »Misstrauensvotum« gegen Merkel und ein »weiteres Zeichen der Erosion ihrer Machtbasis«, wie er der »Heilbronner Stimme« sagte. Die Fraktion sende die klare Botschaft, dass sie sich künftig eigenständiger profilieren wolle. Die Regierungsgeschäfte würden nun noch schwieriger werden als ohnehin schon.