Die israelische Armee wird nach Worten des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu trotz internationaler Warnungen in die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens vordringen. Netanjahu sagte nach Angaben seines Büros zu Soldatinnen und Soldaten: »Es gibt internationalen Druck, um uns daran zu hindern, nach Rafah einzudringen und die Arbeit abzuschließen.« Er weise diesen Druck seit Monaten zurück und werde dies weiter tun.
»Wir werden nach Rafah vordringen«, bekräftigte Netanjahu den Angaben zufolge. »Wir werden die Zerstörung der Hamas-Bataillone abschließen.« Ziel sei es, die Sicherheit wiederherzustellen und einen »totalen Sieg für das israelische Volk und den Staat Israel« zu erlangen.
USA versuchen Israel von Offensive abzubringen
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins »Politico« drängen die USA als Israels wichtigster Verbündeter jedoch darauf, dass der jüdische Staat von einer befürchteten Großinvasion auf die an Ägypten grenzende Stadt absieht. Dort suchen derzeit geschätzt 1,5 Millionen Menschen auf engstem Raum Schutz vor dem Krieg.
Ranghohe US-Beamte hätten ihren israelischen Amtskollegen mitgeteilt, dass die Regierung von US-Präsident Joe Biden es unterstützen würde, wenn Israel dort gezielte Schläge gegen die Hamas vornimmt, solange von einer großangelegten Invasion abgesehen wird, berichtete »Politico«. Derweil deutete Israels Verteidigungsminister Yoav Galant bei einem Truppenbesuch in Gaza einen baldigen Beginn der geplanten Militäroffensive in Rafah an. »Es gibt keinen sicheren Hafen für Terroristen in Gaza«, sagte er laut einer Mitteilung der israelischen Regierung.
Blinken mahnt Schutz von Zivilisten an
US-Außenminister Antony Blinken appellierte unterdessen erneut an Israel, die humanitäre Situation in dem abgeriegelten Küstenstreifen zu verbessern und den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen. US-Präsident Biden habe bereits deutlich gemacht, dass dies Priorität haben müsse, sagte Blinken in Washington. Dies dürfe keine zweitrangige Überlegung sein.
»Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, sagte Blinken. Die USA versuchten mit allen Mitteln, die humanitäre Hilfe zu verstärken. Dennoch sei der »effektivste Weg« eine Feuerpause. »Es liegt gerade ein sehr guter Vorschlag auf dem Tisch. Die Frage ist, ob die Hamas diesen Vorschlag annehmen wird«, sagte Blinken. Man tausche sich intensiv mit den anderen Vermittlerstaaten Katar und Ägypten aus, um zu sehen, wie man einen Deal erreichen könnte.
Israel plant für Rafah-Zivilisten »humanitäre Inseln«
Israels Streitkräfte erklärten unterdessen laut der Zeitung »Times of Israel«, dass ein großer Teil der Menschen in Rafah, der südlichsten Stadt in Gaza, vor einer Militäroperation auf »humanitäre Inseln« im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets gebracht würde. Ihre Umsiedlung in ausgewiesene Gebiete werde in Abstimmung mit internationalen Akteuren erfolgen, wurde Armeesprecher Daniel Hagari zitiert.
Wann die Evakuierung stattfinden soll und wann die Offensive auf die Stadt beginnen werde, sagte er demnach nicht. »Selbst diejenigen, die denken, dass wir verzögern, werden bald sehen, dass wir jede Region erreichen werden«, sagte Verteidigungsminister Galant. Zwar erwähnte er Rafah nicht namentlich, die »Times of Israel« wertete seine Äußerung aber als Hinweis auf die geplante Offensive.
Galant könnte sich dabei auf Berichte bezogen haben, wonach Verbündete Israel gedrängt haben, eine Invasion in Rafah aufzuschieben, schrieb dazu die »New York Times«. Israel will in Rafah die letzten vier verbliebenen Bataillone der Hamas in Gaza zerschlagen.
Bericht: USA bevorzugen gezielte Schläge gegen Hamas
Die USA wollen laut »Politico« jedoch vermeiden, dass Israels Streitkräfte die Stadt dabei in Schutt und Asche legen und viele der Zivilisten getötet werden. Eine großangelegte Kampagne sei für Biden inakzeptabel. Der US-Präsident hatte am Wochenende in diesem Zusammenhang von einer »roten Linie« gesprochen. Er fordert ein glaubwürdiges Konzept zum Schutz der Zivilisten.
Ranghohe US-Beamte hätten Israel signalisiert, dass sie einen Plan unterstützen könnten, der eher mit gezielten Antiterror-Einsätzen vergleichbar sei, schrieb »Politico«. Biden hatte gemahnt, es dürfe nicht zugelassen werden, dass als Konsequenz aus dem Vorgehen gegen die Hamas weitere 30.000 Palästinenser ums Leben kämen. Bei Netanjahu stieß das auf Verärgerung.
Kämpfe im Gazastreifen gehen weiter
Auch mehr als fünf Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs kommt es weiter zu Angriffen aus dem Gazastreifen auf israelische Grenzorte. Die israelische Armee teilte am Donnerstag mit, am Vortag sei vom zentralen Abschnitt des Küstenstreifens aus eine Mörsergranate in Richtung des grenznahen Kibbuz Nachal Oz abgefeuert worden. Das Geschoss sei noch innerhalb des Gazastreifens niedergegangen. Am Mittwoch hatte es in mehreren Grenzorten Raketenalarm gegeben.
»Binnen Minuten wurden die Terroristen, die für den Angriffsversuch verantwortlich waren, von einem israelischen Kampfjet getroffen und ausgeschaltet«, hieß es weiter in der Mitteilung. Bei weiteren Vorfällen im Gazastreifen seien mehrere bewaffnete Palästinenser getötet worden.
Auch im Süden des Gazastreifens habe die Armee ihre Einsätze fortgesetzt. In Chan Junis hätten Truppen in dem Viertel Hamad Raketenabschussrampen gefunden und zerstört. Zwei Terroristen seien dort von einem Kampfjet getötet worden.
Israels Armee: Hamas-Kommandeur in Rafah gezielt getötet
Israels Armee tötete nach eigenen Angaben bei einem gezielten Angriff in Rafah einen wichtigen Hamas-Kommandeur. Auf der Basis von Geheimdienstinformationen habe ein Kampfjet den »Terroristen in der Operationseinheit der Hamas im Bereich Rafah präzise angegriffen und ausgeschaltet«, hieß es in einer Mitteilung des Militärs.
Laut dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA wurde bei dem Angriff ein Zentrum der Hilfsorganisation zur Verteilung von Lebensmitteln und Hilfsgütern getroffen. Mindestens ein UNRWA-Mitarbeiter sei getötet und 22 weitere seien verletzt worden. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden insgesamt fünf Menschen bei dem Angriff getötet. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, man prüfe die Berichte.
Auslöser des Kriegs war ein Massaker, bei dem Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel rund 1200 Menschen ermordet und 250 entführt hatten. Als Reaktion darauf begann Israels Militär seine Angriffe auf den Gazastreifen, bei denen nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde mehr als 31.000 Menschen ums Leben kamen. Die Zahl macht keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Kämpfern und lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Auch deutsche Luftwaffe will Hilfsgüter abwerfen
Die deutsche Luftwaffe soll sich noch in dieser Woche mit Transportflugzeugen am Lastenabwurf dringend benötigter Hilfsgüter in den Gazastreifen beteiligen. »Den Menschen in Gaza fehlt es am Nötigsten. Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass sie Zugang zu Nahrung und Medikamenten bekommen«, teilte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit, nachdem er einem solchen Einsatz grundsätzlich zugestimmt hatte.
Dafür sollen in Frankreich stationierte Transportflugzeuge der Bundeswehr eingesetzt werden. Die erste Maschine hob für den Gaza-Hilfseinsatz ab. Nach einem Zwischenstopp in Toulouse sollte es zunächst nach Jordanien gehen, um die Hilfsgüter ins Flugzeug zu laden.
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