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Nato will Überschwappen des Ukraine-Kriegs verhindern

Die Nato-Staaten wollen ihre Verbündeten und ihr Gebiet beschützen und verteidigen, sagt Generalsekretär Stoltenberg. Doch es bleibt nicht nur bei Worten.

Jens Stoltenberg
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg leitete den Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten. Foto: Olivier Matthys
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg leitete den Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten.
Foto: Olivier Matthys

Mit dem Verlegen ihrer schnellen Einsatztruppe NRF in den Osten des Bündnisgebietes will die Nato nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg ein »Überschwappen« des Krieges in der Ukraine verhindern.

Die Nato tue dies nicht, um den Konflikt zu provozieren, »sondern um ihn zu verhindern und sicherzustellen, dass Russland ganz klar versteht, dass wir nichts erlauben werden«, sagte Stoltenberg am Freitag im »Heute Journal« des ZDF.

»Russland muss verstehen, dass die Ukraine ein hoch geschätzter Partner ist, den wir unterstützen. Aber bei Bündnispartnern sieht es noch mal anders aus.«

Angesprochen auf Ausrüstungsdefizite der Bundeswehr sagte Stoltenberg, Deutschland sei ein »hoch geschätzter Bündnispartner«. Lücken gebe es in den Streitkräften vieler Partner. »Aber trotz dieser Lücken weiß ich, dass die Verteidigungskräfte Deutschlands stark sind und über Fähigkeiten verfügen, die von größter Bedeutung sind für unsere kollektive Verteidigung.« Der deutsche Beitrag zur Nato sei signifikant und werde hoch geschätzt.

Einheiten der schnellen Einsatztruppe verlegt

Zuvor hatte Stoltenberg angekündigt, dass die Nato zur Abschreckung Russlands Einheiten ihrer schnellen Einsatztruppe NRF verlegt. Wohin die Einheiten verlegt werden, sagte er zunächst nicht. Er sprach lediglich von mehreren Tausend Soldaten, die auf dem Land, auf der See und in der Luft im Einsatz sein sollten. Sie sollten an verschiedenen Orten im östlichen Bündnisgebiet eingesetzt werden. Voraussichtlich sind einige der 7000 Militärs, die von der US-Regierung zusätzlich nach Deutschland verlegt werden, auch für die schnelle Einsatztruppe NRF vorgesehen.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnten Bodentruppen in das südwestlich der Ukraine gelegene Rumänien geschickt werden. Ohnehin geplant ist, NRF-Enheiten zu einer Übung in das an Russland grenzende Nato-Land Norwegen zu entsenden.

Zur rund 40.000 Soldaten zählenden NRF gehört zum Beispiel die auch »Speerspitze« genannte VJTF, die derzeit von Frankreich geführt wird. Deutschland stellt nach Angaben aus der Vorwoche für die schnellste Eingreiftruppe des Bündnisses derzeit rund 750 Kräfte. Insgesamt stehen in diesem Jahr rund 13.700 deutsche Soldaten für die schnellen Einsatzkräfte der Nato zur Verfügung.

Es sei das erste Mal, dass Teile der NRF im Zuge der Abschreckung und Verteidigung des Bündnisgebiets verlegt würden, sagte Stoltenberg. Die Staats- und Regierungschefs der 30 Mitgliedstaaten betonten in einer Erklärung, die Maßnahmen seien »präventiv, verhältnismäßig und nichteskalierend.«

Scholz betont Notwendigkeit der Truppenverlegung

Bundeskanzler Olaf Scholz hat betonte die Notwendigkeit, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine weitere Truppen der Allianz in die östlichen Mitgliedstaaten zu schicken. Damit werde dem Sicherheitsbedürfnis der Nato-Partner Rechnung getragen, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag nach den Beratungen im Namen des Kanzlers. Präsident Putins durch nichts zu rechtfertigender Angriff auf die Ukraine treffe auf die scharfe Ablehnung aller Nato-Partner. Damit stelle Russland die europäische Friedensordnung zur Disposition.

Nato-Russland-Akte hinfällig?

Stoltenberg antwortete ausweichend auf die Frage, ob das Militärbündnis die Nato-Russland-Grundakte nun für obsolet hält. »Das ist die Realität: Die Nato-Russland-Grundakte funktioniert nicht, weil eine Seite, Russland, sie über viele Jahre hinweg verletzt hat«, sagte er.

Die Nato-Russland-Grundakte wurde 1997 von beiden Seiten geschlossen und regelt die gegenseitigen Beziehungen, die Zusammenarbeit und die Sicherheit zwischen den Nato-Staaten und Russland. Über sie hat sich die Nato unter anderem verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung »substantieller Kampftruppen« im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten. Auch bekräftigen die Nato-Staaten, dass sie nicht die Absicht haben, Atomwaffen bei neuen Bündnismitgliedern zu stationieren.

Wenn man eine Grundakte zwischen zwei Partnern habe und eine Seite das Abkommen nicht respektiere, funktioniere das Abkommen nicht, sagte er. »Es hilft uns nicht, unsere Beziehung zu Russland zu verbessern.« In der Abschlusserklärung der Videokonferenz vom Freitag heißt es, Russland sei »derjenige, der sich von seinen Verpflichtungen im Rahmen dieser Akte zurückgezogen« habe.

Kollektive Verteidigung der Alliierten

Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Staaten brachten in dem Sondergipfel ihre feste Entschlossenheit zur kollektiven Verteidigung der Alliierten zum Ausdruck. »Unser Bekenntnis zu Artikel 5 des Vertrags von Washington ist unerschütterlich. Wir stehen zum Schutz und zur Verteidigung aller Verbündeten zusammen«, hieß es am Freitag in der gemeinsamen Abschlusserklärung eines Nato-Sondergipfels.

»Wir werden tun, was notwendig ist, um jeden Verbündeten und jedes Stück Nato-Gebiet zu beschützen und zu verteidigen«, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er hatte den Gipfel nach der russischen Invasion in die Ukraine kurzfristig einberufen, um sich per Video über die aktuelle Situation auszutauschen und zu besprechen, wie die Nato auf die veränderte Sicherheitslage reagieren muss.

Stoltenberg: Nicht auf Propaganda hereinfallen

Stoltenberg warte außerdem die Menschen in Russland davor, auf die Propaganda ihres Präsidenten Wladimir Putin hereinzufallen. »Das russische Volk muss wissen: Der Krieg des Kreml gegen die Ukraine wird Russland nicht sicherer machen«, sagte der Norweger. »Russland wird dadurch in der Welt nicht mehr respektiert. Es wird nicht zu einer besseren Zukunft für Ihre Kinder führen.«

© dpa-infocom, dpa:220225-99-288951/17