Die Nato hat ihr jährliches Manöver zur Verteidigung des europäischen Bündnisgebiets mit Atomwaffen begonnen. Das bestätigte ein Sprecher am Montag in Brüssel. An der Übung »Steadfast Noon« werden nach Bündnisangaben in den kommenden zwei Wochen bis zu 60 Flugzeuge beteiligt sein - moderne Kampfjets, aber auch Überwachungs- und Tankflugzeuge sowie Langstreckenbomber vom Typ B-52. Schauplatz ist insbesondere der Luftraum über Belgien, Großbritannien und der Nordsee. Auch die Bundeswehr ist dabei.
Die Nato betont, das Manöver sei keine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar. Es kämen auch keine scharfen Waffen zum Einsatz. Bei der Übung handele es sich um »eine routinemäßige, wiederkehrende Ausbildungsmaßnahme, die in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Weltgeschehen steht«. Sprecherin Oana Lungescu sagte: »Diese Übung trägt dazu bei, dass die nukleare Abschreckung des Bündnisses sicher und effizient bleibt.«
Zum Übungsszenario und zu Details machte die Nato keine Angaben. Nach Angaben von Militärexperten wird bei den regelmäßig im Oktober stattfindenden Manövern geübt, wie man die US-Atomwaffen sicher aus unterirdischen Magazinen zu den Flugzeugen transportiert und unter die Kampfjets montiert. Bei den Übungsflügen wird dann allerdings ohne die Bomben geflogen.
US-Atomwaffen sollen in Italien, Belgien, der Türkei sowie in den Niederlanden und im rheinland-pfälzischen Büchel lagern. Die sogenannte nukleare Teilhabe der Nato sieht vor, dass sie im Ernstfall auch von Flugzeugen von Partnerstaaten abgeworfen werden und dann zum Beispiel gegnerische Streitkräfte ausschalten. Deutschland hält dafür Kampfjets vom Typ PA-200 Tornado bereit.
Anders als bei früheren »Steadfast Noon«-Übungen ist in diesem Jahr, dass die Nato von sich aus über den Beginn informiert. In Bündniskreisen wird dies damit begründet, dass diesmal stärker als sonst gezeigt werden soll, dass die Nato selbst auf ein Schreckensszenario wie einen Atomkrieg gut vorbereitet ist.
Greenpeace mahnt: »Keine Routine-Übung«
Neue Sorgen vor einem russischen Atomwaffeneinsatz schürte zuletzt die völkerrechtswidrige Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten. Präsident Wladimir Putin kündigte danach an, man werde sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen. Die Meinungen darüber, wie wahrscheinlich ein russischer Atomwaffeneinsatz in der Ukraine ist, gehen in der Nato allerdings auseinander.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace mahnte, eine Nato-Übung für den Einsatz von Atomwaffen in Europa sei in diesen Zeiten »keine Routine-Übung, auch wenn die Nato dies suggerieren möchte«. »Angesichts der Drohungen Putins birgt ein solches Manöver gerade jetzt ein hohes Risiko einer weiteren Eskalation. Es braucht daher parallel öffentliche und nicht-öffentliche Zeichen der Deeskalation.«
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