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Nahost-Krise: Unterschiedliche Reaktionen in Deutschland

Politiker und Zivilgesellschaft ringen mit der Bewertung des neuen Konflikts im Nahen Osten. Dass brutale Gewalt abgelehnt wird, ist Konsens - doch wie viel Toleranz soll für Sympathisanten gelten?

Nahostkonflikt - Mahnwache in Berlin
Menschen nehmen vor der Synagoge am Berliner Fraenkelufer an einer Mahnwache teil. Foto: Carsten Koall/DPA
Menschen nehmen vor der Synagoge am Berliner Fraenkelufer an einer Mahnwache teil.
Foto: Carsten Koall/DPA

Die Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der vom Gazastreifen aus operierenden islamistischen Hamas ruft in Deutschland weiterhin unterschiedliche Reaktionen hervor.

Der Schriftsteller und Friedenspreisträger Navid Kermani bezeichnete die Lage in Nahost im »Kölner Stadt-Anzeiger« als neuen Dreißigjährigen Krieg. Spätestens seit 2003 breche ein Land nach dem anderen auseinander, werde ein Land nach dem anderen von Gewalt, Vertreibung, Bürgerkrieg und Terror heimgesucht. »Was Israel jetzt widerfährt, ist daher nicht neu. Aber es betrifft uns ungleich stärker, weil Israel uns aufgrund der deutschen Geschichte besonders nahesteht.« Kurzfristig könne man »nichts anderes tun, als mit den Menschen zu sein - auf beiden Seiten«.

Kritik an pro-palästinensischen Kundgebungen

Die Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, kritisierte die Genehmigung pro-palästinensischer Kundgebungen in deutschen Städten. »Es ist eine Schande, wenn die Politik in einem Land wie Deutschland es zulässt, dass Menschen aus Freude über den Mord an Juden auf der Straße tanzen«, sagte Knobloch der »Augsburger Allgemeinen«. Wenn die Gesetze fehlten, um solche Veranstaltungen zu unterbinden, »dann sollte man sie eben schaffen«.

Demonstrationen sind grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit geschützt, können aber unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt oder sogar verboten werden. In mehreren deutschen Städten waren zuletzt palästinensische Kundgebungen wegen Sicherheitsbedenken oder etwa Gewaltverherrlichung untersagt worden. Es ist aber juristisch umstritten, ob dafür Verdachtsmomente ausreichen.

Warnung vor Verallgemeinerungen gegenüber Muslimen

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland warnte davor, alle Menschen mit muslimischem Hintergrund in einen Topf zu werfen. Zentralratschef Aiman Mazyek sagte MDR Aktuell, man habe in den Moscheen zur Mäßigung und zur Besonnenheit aufgerufen. »Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Extremisten auf den Leim gehen. Die Hamas versucht, den Befreiungskampf der Palästinenser zu instrumentalisieren. Durch Gewalt pervertiert sie ihn.«

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte der »Welt am Sonntag«: »Wir dürfen die Gefahr, die vom Antisemitismus und Dschihadismus in Deutschland ausgeht, nicht unterschätzen.« Daher müssten auch Unterstützer-Einrichtungen wie das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und ihre Filialen bundesweit »endlich geschlossen werden«. Das seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz beobachtete IZH gilt als verlängerter Arm des iranischen Regimes, das der Hamas zu ihrem Angriff auf Israel am Samstag gratuliert hatte.

© dpa-infocom, dpa:231014-99-560387/4