Washington (dpa) - Es ist vorbei. Und Donald Trump antwortet auf seine Weise. Als erste Reaktion auf seinen Freispruch im Amtsenthebungsverfahren verbreitet der US-Präsident einen kurzen Videoclip auf Twitter.
Darin: Trump auf einem nachgemachten Magazin-Cover mit Werbeschildern für seine Wahlkampagne, beginnend beim Wahljahr 2024, dann 2028, 2032 und so weiter, bis zum Schluss die Aufschrift »Trump für immer« kommt. Das ist also seine Botschaft: Nun kann mir keiner mehr was. Ab jetzt wird, im wahrsten Sinne, durchregiert?
Am nächsten Morgen zeigt sich Trump bestens gelaunt. Als er beim »Nationalen Gebetsfrühstück« in Washington ankommt, macht er mehrfach die Siegerfaust und hebt von seinem Tisch mehrere Zeitungen in die Höhe, die titeln: »Trump freigesprochen«. Dazu ein breites Grinsen.
Der US-Senat hat Trump im Impeachment-Verfahren von allen Vorwürfen freigesprochen. Seine Republikaner in der Kammer haben ihn gerettet, er bleibt im Amt. Doch ganz folgenlos ist das Verfahren nicht. Für keinen der Beteiligten.
DONALD TRUMP
Die Anklagepunkte gegen Trump lauteten: Machtmissbrauch und Behinderung der Kongress-Ermittlungen. Er soll die ukrainische Führung gedrängt haben, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumischen und seinem politischen Rivalen Joe Biden zu schaden - im Gegenzug für militärische Hilfe und ein Treffen im Weißen Haus. Trump bestritt dies und beteuerte, er habe nichts Unrechtes getan. Damit ist er durchgekommen. Ein großer Sieg für ihn über die Demokraten zu Beginn des Wahljahres.
Die Demokraten argumentieren aber, das Urteil des Senats sei »wertlos« - weil die Republikaner in dem Verfahren keine Zeugen zugelassen und so einen echten Prozess verhindert hätten. Der Freispruch ist außerdem ein politischer, kein juristischer. Die Senatoren fungierten als Geschworene, und selbst wenn sie einen Eid darauf geschworen haben, neutral zu sein, so waren die meisten in dem Verfahren doch offen parteiisch.
In die Geschichtsbücher geht Trump nun ein als dritter Präsident der Vereinigten Staaten, der vom Repräsentantenhaus angeklagt wurde und sich einem Impeachment-Verfahren im Senat stellen musste. Und er ist der erste Präsident, der nach einer Impeachment-Anklage zur Wiederwahl antritt.
Trump wird im Wahlkampf wohl versuchen, den Freispruch für sich zu nutzen und als vollständige Entlastung zu feiern - auch wenn die Demokraten ihm immer wieder entgegenschmettern werden, das Verfahren sei eine Farce gewesen. Schon zum Abschluss der Russland-Untersuchungen von FBI-Sonderermittler Robert Mueller hatte Trump erklärt, er sei in allen Punkten entlastet worden. Dass Mueller diese Einschätzung damals beim Vorwurf der Justizbehinderung ausdrücklich nicht bestätigte, ignorierte Trump schlicht.
Auch die belastenden Informationen, die nun bei den Impeachment- Ermittlungen ans Licht kamen, dürfte Trump verschweigen. Bei seinen Anhängern ging diese Strategie bei der Russland-Affäre auf, es scheint auch bei der Ukraine-Affäre so zu sein. Trump stellt sich in der Frage mit Inbrunst als Opfer dar - und die Demokraten als den großen Feind. Das tut er auch am Tag danach. Seiner Basis gefällt das. Doch ein wenig Schmach bleibt für ihn: Sein politisches Vermächtnis wird für immer von der Impeachment-Anklage befleckt sein.
JOE BIDEN
Nicht nur an Trump hinterlässt das Impeachment-Verfahren allerdings einen Makel - sondern auch an Ex-US-Vizepräsident Biden, der sich um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten für die Wahl im November bemüht. Weder Biden noch die Partei haben aufgearbeitet, warum sein Sohn einen hoch dotierten Posten beim ukrainischen Gaskonzern Burisma innehatte, während der Vater in der Regierung von Präsident Barack Obama für die Ukraine-Politik zuständig war. Das mag nicht illegal gewesen sein. Den Anschein eines Interessenskonflikts erweckt es aber allemal.
Während die demokratischen Präsidentschaftsbewerber das unangenehme Thema totschweigen, brachten Trumps Verteidiger es im Impeachment- Verfahren immer wieder auf. Biden reagierte darauf dünnhäutig. Sollte er sich als Kandidat bei den Demokraten durchsetzen, wird ihn Trump wegen des Burisma-Postens seines Sohnes im Wahlkampf frontal angehen.
DIE REPUBLIKANER
Trumps Parteikollegen scheinen sich mit dessen teils fragwürdigen Methoden arrangiert zu haben. Manche von ihnen räumen zwar öffentlich ein, was Trump in der Ukraine-Affäre getan habe, sei »unangemessen« gewesen. Aber ihn deswegen aus dem Amt entfernen? Das ging den Republikanern zu weit. Nur einer stellte sich gegen die Parteilinie: Mitt Romney. Der Senator stimmte für eine Amtsenthebung Trumps. Sein Votum änderte zwar nichts an dem Ergebnis. Es zeigt aber, dass auch bei den Republikanern mancher zum Nachdenken gekommen ist.
Trump hat seine Partei kolossal verändert, bis zur Schmerzgrenze verbogen - wenn nicht darüber hinaus. Grundlegende Werte und Prinzipien, die unter früheren republikanischen Führungsfiguren wie John McCain unverrückbar waren, stehen in der Partei unter Trump zur Disposition. Das zeigt das Impeachment-Votum wie nichts zuvor. Mit ihrem Rückhalt für Trump in dieser Frage haben die Republikaner Trump unumkehrbar die Gefolgschaft geschworen. Für sie gibt es nun kein Zurück mehr. Sie haben ihm einen Blankoscheck ausgestellt.
DIE DEMOKRATEN
Die Demokraten wiederum scheinen am Ende ihrer parlamentarischen Möglichkeiten: Nach den langen Russland-Ermittlungen gegen Trump haben sie mit dem Impeachment-Verfahren zum Äußersten gegriffen, was die US-Verfassung zu bieten hat. Sie wussten von Anfang an um ihre geringen Erfolgsaussichten bei dem Verfahren, gingen das Risiko aber dennoch ein. Nun sind sie mit dem Versuch gescheitert, den Präsidenten aus dem Amt zu entfernen. Ein zweites Impeachment- Verfahren gegen Trump in einer möglichen zweiten Amtszeit des Präsidenten dürften sie kaum angehen. Trump ist damit auf doppelte Weise gestärkt und entfesselt - durch den Freifahrtschein seiner eigenen Partei und die begrenzten Möglichkeiten seiner Gegner.
Die Demokraten können nun lediglich hoffen, dass von den Vorwürfen aus dem Impeachment-Verfahren etwas in den Köpfen der Wähler hängenbleibt. Sie haben Trump in dem Prozess einen »Diktator« genannt, ihre Anklage zu einer Art Charakterstudie Trumps gemacht. Sie stellten ihn als Monarchen dar, der allmächtig sein wolle und vor nichts zurückschrecke, dem jedes Gefühl von Anstand und Moral abgehe. Dazu stellten sie die Frage, ob solch ein Mensch Präsident der Vereinigten Staaten sein dürfe.
Ob das in der polarisierten Gesellschaft in den USA aber tatsächlich Wähler zum Umdenken gebracht hat? Umfragen deuten nicht darauf hin. Trump Zustimmungswerte sind momentan höher denn je - besser als vor der Einleitung der Impeachment-Ermittlungen. Tiefer denn je sind wiederum die gesellschaftlichen Gräben und die Verwerfungen zwischen Demokraten und Republikanern.
Der Präsident und seine Verteidiger argumentierten über Wochen, die Wähler sollten in der Frage entscheiden, nicht der Kongress. Ihr Urteil fällt am 3. November.